Nacht des Orakels by Auster Paul

Nacht des Orakels by Auster Paul

Autor:Auster, Paul [Paul, Auster,]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Das war natürlich haarsträubender Blödsinn, Fantasy-Schund der primitivsten Art, schien mir aber als Film machbar, und das war alles, was ich wollte: etwas abliefern, was ins gewünschte Schema passte. Das war keine Prostitution, sondern eher ein Finanzierungsplan, und ich hatte keinerlei Skrupel, mich als Schreiber zu verdingen, wenn ich damit einen Haufen dringend benötigtes Geld verdienen konnte. Ich hatte einen unruhigen Tag hinter mir, zunächst meine fehlgeschlagenen Bemühungen, die angefangene Geschichte weiter voranzutreiben, dann die schockierende Entdeckung, dass Changs Laden nicht mehr existierte, und schließlich der entsetzliche Zeitungsartikel, den ich beim Mittagessen gelesen hatte. Immerhin hatte mir das Nachdenken über Die Zeitmaschine als schmerzlose Ablenkung gedient, und als Grace um halb neun zur Tür hereinkam, war ich relativ guter Dinge. Der Tisch war gedeckt, eine Flasche Weißwein stand im Kühlschrank, das Omelett brauchte nur noch in die Pfanne gegossen zu werden. Sie schien ein wenig überrascht, dass ich auf sie gewartet hatte, äußerte sich aber nicht dazu. Sie wirkte erschöpft, hatte dunkle Ringe unter den Augen und bewegte sich mit einer gewissen Schwerfälligkeit. Nachdem ich ihr aus dem Mantel geholfen hatte, führte ich sie sofort in die Küche und ließ sie am Tisch Platz nehmen. «Iss», sagte ich. «Du musst großen Hunger haben.» Ich stellte etwas Brot und einen Teller mit Salat vor sie hin und ging dann zum Herd, um mit dem Omelett zu beginnen.

Sie lobte das Essen, ansonsten aber sprach sie während der Mahlzeit kaum ein Wort. Ich freute mich, dass ihr Appetit zurückgekehrt war, zugleich aber schien sie mir ganz woanders zu sein, nicht so gegenwärtig wie sonst. Als ich ihr von meinem Gang zu Changs Geschäft erzählte, wo ich das Klebeband für sie kaufen wollte, und dass der Laden rätselhafterweise zugemacht hatte, hörte sie kaum zu. Ich war versucht, ihr von dem Drehbuchangebot zu erzählen, aber es schien mir nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Vielleicht nach dem Essen, dachte ich, und gerade als ich aufstand und den Tisch abräumen wollte, sah sie mich plötzlich an und sagte: «Ich glaub, ich bin schwanger, Sid.»

Sie platzte so unerwartet mit dieser Neuigkeit heraus, dass mir nichts anderes einfiel, als mich wieder auf meinen Stuhl zu setzen.

«Meine letzte Periode ist jetzt fast sechs Wochen her. Du weißt, wie regelmäßig die bei mir kommt. Und dann gestern diese Kotzerei. Das kann doch nur eins bedeuten.»

«Du scheinst nicht sehr glücklich darüber zu sein», sagte ich schließlich.

«Ich weiß nicht, wie ich mich fühle. Wir haben immer davon gesprochen, dass wir Kinder haben wollen, aber das scheint der ungünstigste Moment dafür zu sein.»

«Nicht unbedingt. Wenn der Test positiv ausfällt, werden wir uns schon was ausdenken. Alle anderen tun das doch auch. Wir sind keine Dummköpfe, Grace. Uns fällt schon was ein.»

«Die Wohnung ist zu klein, wir haben kein Geld, und ich würde drei oder vier Monate nicht arbeiten können. Wenn du wieder ganz auf dem Damm wärst, würde das alles keine Rolle spielen. Aber so weit bist du noch nicht.»

«Immerhin habe ich dich schwanger gemacht, oder? Wer sagt, ich bin noch nicht so weit? In der Hinsicht ist bei mir jedenfalls alles in Ordnung.



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