Mutige Frauen 04 - Die Malerin by Mary Basson

Mutige Frauen 04 - Die Malerin by Mary Basson

Autor:Mary Basson [Basson, Mary]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2017-06-14T22:00:00+00:00


SEPTEMBER 1913

Nach dem langen Besuch bei Emmy und ihrer Familie kehrte Ella nach München zurück und stellte fest, dass ihre Wohnung ihr fremd geworden war. Im Flur kam es ihr vor, als hätte sie sich in der Tür geirrt, im Wohnzimmer hatte sie das Gefühl, auf dem Sofa anderer Leute zu sitzen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder eingelebt hatte. Sie war allein und wusste nicht, ob das so bleiben würde. Was für ein schönes Familienleben Emmy dagegen mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter hatte. Sie hatte Ella bei sich behalten wollen. »Wir haben genügend Platz«, sagte sie. »Du könntest Friedel Malstunden geben. In der Stadt würdest du dich rasch zurechtfinden.«

»Nein«, antwortete Ella. »Ich will euch nicht zur Last fallen. Du hast schon so viel für mich getan.« Emmy und ihre Familie waren Ellas Fels in der Brandung, trotzdem hatte sie nicht vor, bei ihnen vor Anker zu gehen. Stattdessen war sie wie ein Schiffchen, das auf den Wellen trieb und nirgendwo einen Hafen fand. In einigen Tagen würde Wassily wieder in Deutschland sein, doch ob er auch in ihre Wohnung zurückkehren würde, wusste sie nicht. Es war möglich, dass er nicht einmal zu ihr zurückkehren würde. Was sie dann tun würde, konnte sie sich nicht einmal im Ansatz vorstellen. Nachts lag sie wach oder schlief unruhig, immer in der Hoffnung, seinen Schlüssel im Schloss der Eingangstür zu hören.

Wassily kehrte in die Wohnung und zu ihr zurück. Doch er fühlte sich nicht gut, die lange Reise hatte ihn erschöpft. Kurz nach seiner Ankunft ging er zu Bett und klagte über Schwindelgefühle und Übelkeit. Am Morgen wachte er schweißgebadet auf und hatte Kopfschmerzen. Unrasiert und mitgenommen stand er im Wohnzimmer, als warte er darauf, dass man ihm sagte, was er tun solle. Draußen war es schwül, als wäre der Sommer ein Gast, der alles mit klebrigen Fingern anfasste und sich nicht verziehen wollte. Ella schlug vor, einige Tage in Murnau zu verbringen und sich dort ein wenig zu erholen, bevor sie wieder mit der Arbeit begannen. In der Zeit konnte Fanny die vernachlässigte Münchener Wohnung auf Vordermann bringen. Wassily hatte nichts dagegen.

Am nächsten Morgen nahmen sie den Zug nach Murnau. Auf dem Weg zum Bahnhof hatten sie nur wenige Worte gewechselt, und in ihrem Abteil berührten sie sich kaum. Schweigend überließen sie sich dem Ruckeln und Rattern des Zuges. In Murnau empfing sie ein frischer Wind, und durch das gelbe Haus zog der Duft der Gartenblumen. Wassily trank gierig an dem Brunnen hinter dem Haus und benetzte Gesicht und Hals mit dem Wasser. Ella räumte in der Küche die Lebensmittel ein, die sie in München besorgt hatte.

Den Mittagsschlaf hielten sie in getrennten Zimmern. Als sie wach wurden, leuchtete alles im Licht der Nachmittagssonne, und unten auf den Feldern lärmten Kinder. Wassily ging in den Garten und legte ein neues Beet für Frühlingsblumen an. Er grub die Erde um und erklärte, die körperliche Arbeit tue ihm gut. Man sah, dass seine Familie in Russland ihn verwöhnt hatte. Er war etwas rundlich geworden.



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