Morgenwind by Rosemary Sutcliff

Morgenwind by Rosemary Sutcliff

Autor:Rosemary Sutcliff [Sutcliff, Rosemary]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-06-02T22:00:00+00:00


Das Wrack

»Ja, ihr mögt eure Köpfe schütteln und ungläubig dreinstarren, bis euch die Ohren abfallen«, sagte der Harfner. »Vielleicht hört ihr hier nicht so sehr viel, auf dieser verfluchten abgeschnittenen Landzunge. Aber ich habe schon vor der Wibbenduneschlacht gerochen, dass sich Raben sammeln würden, das ist mehr als zwanzig Jahre her, und ich habe es nicht vergessen. Ich sage euch, ich habe den Qualm zwischen den Königreichen an den Grenzen schon den ganzen letzten Sommer hindurch wieder gerochen.« Und er raffte das Tuch eines einst protzigen Umhangs zusammen und rückte noch etwas dichter ans Feuer heran.

Der große Stoß aus flammendem Treibholz brannte hell im Schutz der Bootshütte; keiner hätte es in einer solchen Nacht im Freien auch nur einen Augenblick ausgehalten, aber im Windschutz der Bootshütte gab es eine Stelle, an der man geborgen war vor dem spätsommerlichen Sturm, der im Dunkeln über die Ebene pfiff. Der Wind war so stark, dass der Regen ein schräges Dach aus getriebenem Wasser über den Köpfen bildete, und nur, wenn die Windstöße einmal kurz nachließen, fiel es zischend in die Flammen.

Es gab dauernde Bewegung am Rand des Feuerscheins; dunkle Gestalten traten aus der Schwärze der Sturmwolken hervor, und andere tauchten wieder ein, da die Männer unaufhaltsam Wache hielten über die Deiche und die Mauern aus Gestrüpp und über das lang ausgestreckte Kieselufer unten am Hafen. Sie kamen ans Feuer, um sich ein wenig aufzuwärmen und auszuruhen, während andere ihren Platz für eine Weile einnahmen. Es war schon spät; es ging auf die düstere Stunde vor Einbruch der Dämmerung zu; aber für die Männer, die über die Küste wachten, würde es in dieser Nacht keinen Schlaf geben, nicht solange die Springfluten und wilden Ostwinde gemeinsam die Wogen über dem Ufer auftürmten und damit die ewig alte und bekannte Gefahr für das niedriger gelegene Land mit sich brachten.

Owin, der gerade von seiner Runde entlang des Kieselufers zurückgekommen war (nicht viele Sklaven erschienen zur Küstenwache, da aber Beornwulf noch nicht wieder daheim war, nahm Owin die Pflichten des Beornhofs wahr), blickte vom Feuer auf und lauschte mit pochendem Herzen, was der Harfner als Nächstes sagen würde. Aber eine Weile lang sagte er überhaupt nichts mehr, starrte nur in die Flammen und schnalzte mit seinen dürren langen Fingern im Takt eine lautlose Musik. Man konnte nichts außer dem Brüllen des Sturms hören und tief unter dem Sturm – so tief, dass man es eigentlich mehr in den Knochen spürte als hören konnte – das Tosen und Krachen der Brandung, lauter und drohender mit jeder Minute, die verstrich.

»Hört euch das an«, sagte einer. »Hört euch das nur an! Und die Flut ist doch noch nicht mehr als zu drei Vierteln hereingekommen.« (Um das Feuer setzte ein dunkles Stimmengemurmel ein. Hier und da schauten die Männer über ihre Schultern zurück, als ob die Bedrohung durch die ungeheuerliche Flut etwas sei, das sie aus dem Dunkeln lauern sehen könnten. Jemand warf ein frisches Stück Treibholz ins Feuer, die Flammen züngelten empor und warfen ein lohendes Gleißen auf die Gesichter der Männer und Hunde, die um das Feuer kauerten.



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