Mit Opa am Canal Grande (German Edition) by Susanne Fülscher

Mit Opa am Canal Grande (German Edition) by Susanne Fülscher

Autor:Susanne Fülscher [Fülscher, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783843702607
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2015-02-22T16:00:00+00:00


13.

Da hatten sie den Salat, es nieselte!

Johann blickte in den Himmel, aber es sah nicht so aus, als ob die Wolkendecke in Kürze aufreißen würde. Das war also der italienische Sommer: Schwüle, Hochwasser, drückende Hitze, dann wieder Regen – ein Wetter zum Mäusemelken.

Astrid patschte in ihren unförmigen Gummistiefeln vor ihm her und drehte sich alle naselang nach ihm um. Herrje, er lief ja schon so flott, wie er konnte! Aber er wollte eben nicht, dass seine helle Sommerhose unnötig viele Spritzer abbekam. Was sollte Franca denn von ihm denken, wenn er wie ein Landstreicher bei ihr aufkreuzte? Am Morgen hatte er sich extra gründlich rasiert und auch nicht mit Kölnischwasser gegeizt. Sein Hemd war frisch, und zur Feier des Tages trug er seine Lieblingskrawatte. Kleine Frösche waren darauf, die er jedoch nur erkennen konnte, wenn er die Lesebrille aufsetzte und ganz nah an den Spiegel herantrat. Bloß einen Regenschirm hatte er sich von Astrid aufschwatzen lassen, den schob er jetzt wie einen Schutzschild vor sich her. Er hoffte, dass seine hellbraunen Lochmusterschuhe, die er nur zu besonderen Gelegenheiten trug, bis zum Bahnhof durchhielten, und in Mestre würde ja aller Voraussicht nach Franca am Bahnsteig stehen und sie abholen.

Kurz darauf im Zug – sie hatten auf die Schnelle einen Espresso in der Bahnhofsbar getrunken – genoss er den Ausblick auf die Lagune und wünschte, die Zugfahrt möge ewig andauern. Wasser und Himmel hatten den gleichen silbriggrauen Farbton angenommen. So stellte er sich das Jenseits vor, und augenblicklich breitete sich eine wohlige Ruhe in ihm aus. Elf Minuten später war die Fahrt schon wieder vorbei und der Zug lief in den Bahnhof von Mestre ein. Sein Magen begann Alarm zu schlagen, als sie ausstiegen und er Franca, den Kopf neugierig in die Höhe gereckt, dastehen sah. Ihr Blondschopf war verwuschelt, so als habe sie es so früh am Morgen nicht mehr geschafft, sich zu kämmen, und in den abgeschnittenen Nietenhosen und Turnschuhen wirkte sie trotz ihres ja auch schon beträchtlichen Alters fast wie eine Studentin.

»Buongiorno!«, rief sie ihnen entgegen, eine Brötchentüte schwenkend. Ihr Strahlen war so herzerwärmend, dass sich augenblicklich eine wohlige Welle in Johanns Magen brach. »Ich habe Brioches gekauft. Astrid, Sie frühstücken doch noch mit uns?«

»Nein, danke. Ich dachte …«

»Komm schon, Astrid«, funkte Johann dazwischen. Er wollte nicht, dass seine Schwiegertochter ihn in dieser heiklen Situation im Stich ließ, aber sie gab vor, sich im Zentrum umsehen zu wollen.

»Tun Sie das, Astrid«, sagte Franca. »Ich setze Sie gern an der Fußgängerzone ab. Dort gibt es ein paar hübsche Geschäfte.«

Das Gespräch plätscherte dahin, während sie zum Auto liefen. Es ging um die Mietpreise in Berlin im Vergleich zu Venedig, um das derzeitig sonderbare Sommerwetter und um die Aussprache irgendeiner Johann vollkommen unbekannten Vokabel, und er war bloß froh, als er sich auf die zugemüllte Rückbank des altersschwachen feuerwehrroten Fiats quetschen und verschnaufen konnte.

Er hatte eine Heidenangst vor dem, was kommen würde, und mit jedem Meter, den sich das Auto durch die verstopfte Vorstadt bahnte, wurde es nur noch schlimmer. Die belanglose Unterhaltung nahm ihren Lauf.



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