Milner, Donna by River

Milner, Donna by River

Autor:River
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-04-28T21:21:16+00:00


25

IN KELOWNA WARTETE ICH im Busdepot auf meinen Anschluss und hatte den penetranten Geruch schwelender Wälder noch in der Nase. Jetzt, da der Bus sich von der Stadt im Okanagan Valley entfernt und nach Osten fährt, ist er immer noch nicht verflogen.

In diesem Sommer hatte es so ausgesehen, als stünde ganz British Columbia in Flammen. Der gelb verfärbte Himmel war monatelang schwer vom raucherfüllten Dunst. Jetzt will ich nicht hinaussehen auf die Augenfälligkeit vernichteter Wälder, nackter schwarzer Gerippe, mit denen eine trostlose Landschaft übersät ist. Ich will mich nicht mit meinen eigenen Erinnerungen an verkohlte und geschwärzte Gebäude auseinandersetzen.

Es ist ein seltsames Gefühl, in einem Bus unterwegs zu sein, es ist, als befände man sich in einem brummenden Vakuum, in einer Zeitmaschine, die einen in seine Vergangenheit zurückbringt. Warum nehme ich immer den Bus, wenn ich nach Hause fahre? Es steckt mehr dahinter als meine Abneigung gegen das Fliegen. Ich könnte mit dem Auto fahren. Ich fahre ja sonst überallhin mit dem Auto. Nur nicht, wenn ich zurück nach Atwood reise. Liegt es daran, dass ich es mir, sobald ich im Bus sitze, nicht mehr anders überlegen kann? Nicht umkehren kann?

Die erste Busfahrt machte ich 1969, als ich von zu Hause wegging. Die nächste nach der Beerdigung meines Vaters.

Ich erinnere mich an ein älteres Paar in diesem Bus. Sie müssen in den Achtzigern, vielleicht auch schon in den Neunzigern gewesen sein. Bei jedem Halt kletterten sie mit der betulichen Langsamkeit des Alters aus dem Bus und stiegen dann wieder ein. Ich verspürte einen irritierenden Groll: Sie durften leben und alt werden. Und mein Vater nicht. Er war zu jung zum Sterben. Plötzlich kommt mir zu Bewusstsein, dass er bei seinem Tod nur vier Jahre älter war, als ich heute bin.

Am Ende war es nicht der Krebs, der ihn umbrachte. Es war die Farm. Mein Vater starb auf dem kalten Betonboden des Geräteschuppens, unter seinem Massey-Ferguson-Traktor.

Morgan rief mich an, um mir Bescheid zu geben. Ich nahm den ersten Flug nach Hause.

Jenny und Vern hänseln mich wegen meiner Flugangst, aber das würden sie nicht tun, wenn sie mich auf jenem Flug gesehen hätten. Sie haben keine Ahnung von den Ausmaßen meiner Phobie. Auch ich war ahnungslos, bis ich mich zum ersten und zum letzten Mal in einem Flugzeug anschnallte. Sobald die Stewardess die Kabinentür zuzog, krampften sich meine Hände um die kleinen Armstützen. Als das Flugzeug auf der Startbahn zu rollen begann, fühlte ich, wie mir der Schweiß unter meinem Pullover in Bächlein herunterrann. Ich vergaß, wie man atmete. Als wir uns in die Luft erhoben, gelang es mir nur mit äußerster Kraft, nicht laut zu schreien, dass man mich hinauslassen sollte. Ich kniff die Augen so lange zusammen, bis mir jemand auf die Schulter tippte. Ich sah zu der Frau im Sitz neben mir, die mir eine Spucktüte reichte, gerade noch rechtzeitig.

Der Flughafen-Shuttlebus brachte mich, aufgewühlt und erschöpft, nach Atwood. Als wir an der Main Street eintrafen, stand da der alte Milchtruck vor Gentry’s schräg eingeparkt – vor dem kleinen Zeitschriftenladen mit Erfrischungshalle, der als Busdepot diente.



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