Meine Suche nach der besten Pasta der Welt by Maiwald Stefan

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt by Maiwald Stefan

Autor:Maiwald Stefan [Stefan, Maiwald]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: E Books der Verlagsgruppe Random House
veröffentlicht: 2011-12-01T23:00:00+00:00


Apulien

Ran an die Öhrchen

Mein Vater war Koch. Und wie es sich für einen Koch gehörte, brachte er aus seinem Gästecasino die leckersten Dinge mit. Gästecasino? Ja, das sind die unbekanntesten Spitzenrestaurants Deutschlands. Alle Großbanken halten sich nämlich kleine, feine Luxusrestaurants in ihren Vorstandsetagen. Wenn nämlich ein Jürgen Schneider oder ein arabischer Scheich ein 50-Millionen-Euro-Geschäft einfädelt, dann kann man nicht Jägergeschnetzeltes aus der Kantine auftischen. Diese Gästecasinos halten also die edelsten Speisen und Weine bereit, für eine winzige, erlesene Schar von Geldsäcken. Mein Vater leitete das Gästecasino der Norddeutschen Landesbank in Hannover. Wie es sich für einen anständigen Koch gehörte, mopste er für seine Familie täglich die feinsten Leckereien. Und wie es sich für einen Sohn gehörte, verweigerte ich die Aufnahme von allem, was nicht Fleisch, Kartoffeln oder Schokolade hieß, bis weit in meine Teenagerzeit hinein. Ich war ein spätberufener Esser, und bis heute tue ich mich beispielsweise mit Gemüse schwer. Da bin ich in Apulien natürlich ganz falsch, aber das tut mir ja auch mal gut. In Apulien ist die gesamte Gastrokultur aus der cucina povera entstanden, der Armeleuteküche. Das sopratavola ist ein schönes Beispiel. Die Leute konnten sich kein Obst leisten, also füllten sie den Obstkorb mit rohem Gemüse: Karotten, Fenchel, Sellerie. Unbehandelt, ungeschält, ungewürzt. Dieser Gemüsekorb ist heute noch Bestandteil jedes apulischen Gedecks, und es gilt, ihn bitteschön zu leeren. Auch die kleinen Zwischengerichte haben es in sich für jemanden, der zu Gemüse eine eher distanzierte Beziehung pflegt. Der Mensch ist, wie der große Heinz Strunk schon richtig anmerkte, kein Beilagenesser. Gekochte oder frittierte Zwiebeln beispielsweise mussten von mir bei mehreren Gelegenheiten hinuntergeschlungen werden, weil mich der ganze Tisch gespannt ansah und wissen wollte, was ich denn von dieser herausragenden Spezialität halten würde. »Mmmh, gut, gut«, mümmelte ich, während meine Augen tränten.

Ein wagemutiger Gourmethistoriker geht sogar so weit, die Verbreitung von Pasta secca, also Nudeln ohne Eianteil, mit der Armut der Leute in Apulien zu erklären – sie hätten gar keine Eier zur Verfügung gehabt. Dem ist wohl nicht so. Eher sorgte das Klima dafür, dass schwere Eiernudeln einfach nicht zu einer von Fisch dominierten Küche passten und vor allem in dem heißen Klima auch viel zu wenig haltbar seien.

Was auch erstaunlich ist: Hier in Apulien passt sich der Geschmack sofort an. Ob es die Luft ist oder irgendwelche geheimnisvollen Schwingungen – wer weiß? Jedenfalls ist es mir in den drei Wochen nie in den Sinn gekommen, Tortellini zu bestellen oder auch nur Lust auf Eiernudeln in welcher Form auch immer zu haben. Und das, obwohl ich Apulien in tiefster Winterzeit besucht habe, mit Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt – für süditalienische Verhältnisse eine Jahrhundertkälte. Genauso verliert man mit der Zeit die Lust auf den morgendlichen Cappuccino und trinkt nur einen caffè an der Bar, obwohl man ein Frühstücksbüfett zur Verfügung hat, das einen ganzen Saal ausfüllt.

In Apulien nach der besten Pasta-Art zu fragen, das ist, wie im Vatikanstaat nach der besten Religion zu fragen. Orecchiette natürlich, darum dreht es sich hier. Überhaupt war Apulien lange die Kornkammer Italiens.



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