Mein Leben by Richard Wagner

Mein Leben by Richard Wagner

Autor:Richard Wagner [Wagner, Richard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


Dritter Teil

1850–1861

Mit gutem Glücke hatte Minna bei Zürich eine Wohnung aufgefunden, welche wirklich den bei meinem Fortgange von mir so dringend geäußerten Wünschen recht geeignet entsprach. Es war dies in der Gemeinde Enge, eine gute Viertelstunde Wegs von der Stadt Zürich, in einem unmittelbar am See gelegenen Grundstücke mit altbürgerlichem Wohnhaus, zum »Abendstern« benannt und einer gutartigen alten Dame, Frau Hirzel, gehörig, wo für einen nicht teuren Mietpreis der abgeschlossene, sehr ruhige obere Stock dürftige aber ausreichende Bequemlichkeit verlieh. Ich traf am frühen Morgen ein, fand Minna noch im Bett und vermochte sie, welche sich vor allem gegen die Annahme, daß ich nur aus Mitleiden zu ihr zurückgekehrt sei, zu versichern suchte, schnell dahin zu bestimmen, nie wieder über das Vorgefallene sich mit mir besprechen zu wollen. Im übrigen war sie ganz in ihrer Sphäre, als sie mir die Fortschritte ihrer geschickten Einrichtung zeigte; und da wir von hier an in einer, wenn auch von mannigfachen Schwierigkeiten unterbrochenen, im ganzen aber durch längere Jahre sich doch behauptenden Zunahme unserer äußeren Verhältnisse uns befanden, breitete sich bald eine erträgliche Heiterkeit über unser häusliches Leben aus, ohne daß ich jedoch von jetzt an eine unruhige, oft heftig hervortretende Neigung zum Abbruch alles Gewohnten gänzlich unterdrücken konnte.

Zunächst halfen die beiden Haustiere, Peps und Papo, außerordentlich wirksam zum häuslichen Behagen; beide liebten mich vorzüglich, oftmals bis zur Belästigung: Peps mußte immer hinter mir auf dem Arbeitsstuhle liegen und Papo flatterte, wenn ich zu lange aus dem Wohnzimmer ausblieb, nach wiederholtem vergeblichem Rufen meines Namens »Richard!« gewöhnlich zu mir in das Arbeitszimmer, wo er sich auf dem Schreibtische aufstellte und mit Federn und Papier oft sehr aufregend sich zu schaffen machte. Er war so wohlerzogen, daß er nie einen tierischen Vogellaut von sich gab, sondern nur sprechend und singend sich vernehmen ließ. Mit dem großen Marsch-Thema des Schluß-Satzes der c-moll-Symphonie, dem Anfang[463] der Achten Symphonie in F-dur, oder auch einem festlichen Thema aus der »Rienzi«-Ouvertüre empfing er mich stets pfeifend, sobald er auf der Treppe meine Schritte hörte. Das Hündchen Peps zeichnete sich dagegen durch eine ungemeine Nervosität aus; er hieß bei meinen Freunden »Peps der Aufgeregte«, und es gab Zeiten, wo man nie ein freundliches Wort zu ihm sprechen konnte, ohne ihn in Heulen und Schluchzen zu versetzen. Diese Tiere vertraten offenbar die fehlenden Kinder, und daß auch meine Frau ein fast leidenschaftliches Wohlwollen für sie empfand, bildete ein nicht unergiebiges Band des Einvernehmens zwischen uns, wogegen ein ewiger Quell von Mißhelligkeiten sich in dem Verhalten meiner Frau zu der unglücklichen Nathalie dahinzog. Sie hat bis zu ihrem Tode die wunderliche Verschämtheit gehabt, selbst dem Mädchen nicht zu entdecken, daß sie ihre Tochter sei. Diese hielt sich nun fortwährend für Minnas Schwester und begriff als solche nicht, warum sie sich nicht ebenbürtig behandelt sehen sollte. Indem Minna sich stets die Autorität der Mutter zuerkannte, gab sie hierfür stets dem Ärger über Nathalies auffallende Mißgeratenheit nach; sie war, jedenfalls in dem entscheidenden Alter verzogen und vernachlässigt, körperlich und geistig schwerfällig entwickelt geblieben: klein und mit Neigung zur Stärke, war sie unbehilflich und einfältig.



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