Mein Himmel brennt (B00CMP2IVK) by Heinrich von der Haar

Mein Himmel brennt (B00CMP2IVK) by Heinrich von der Haar

Autor:Heinrich von der Haar [von der Haar, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, Kulturmaschinen, Entwicklungsroman, Münsterland, Preisträger, Heinrich von der Haar, Autobiografie, Jugendroman
ISBN: 9783943977158
Herausgeber: Kulturmaschinen
veröffentlicht: 2013-05-01T04:00:00+00:00


35

„Was machst du?“ Jemand fasst um meine Schulter.

Ich steh im Garten und starr umher. Es ist still und hell vom blanken Mond. Ich dreh mich um und versteh nicht, wie im dichten Nebel.

Vater schüttelt mich. „Du bist mondsüchtig. Dich treiben finstre Geister um.“ Er sei früher auch mondsüchtig gewesen, sei sogar auf das Dach spaziert, damals, als er den Hof übernehmen musste, kaum älter als ich jetzt. Er legt die Hand auf meine Schulter und führt mich ins Schlafzimmer.

Ach, deshalb erwach ich mit sandigen Füßen, deshalb scheuern im Bett Körner. Und wieder eingepinkelt, Laken und Hose nass und kalt. Ich versuch, es trocken zu reiben, doch Mutter bemerkt es. „Stinkst wie ’n Baby!“

Morgen hau ich ab, schwör ich. Ich sündige extra, schleich zum Zuckertopf, leck den Zeigefinger ab, bis er nass ist, steck ihn tief in den Zucker und lutsch ihn ab, erst die Spitze und Stück für Stück tiefer in den Mund. Ich lass mir den Hass nicht anmerken, geh Vater aus dem Weg und red nicht mit ihm, heute nicht, morgen nicht. Er soll ein schlechtes Gewissen haben. Fragt er, was los ist, schweig ich, duck mich und umlauer ihn wie ein wildes Tier, auf der Hut vor Schlägen.

„Bist ’n bisschen bockig“, sagt Eva. „Helf ich dir zu wenig?“

„Nimm ’n Löffel Lourdes-Wasser“, sagt Trude. Ich schlag gegen die Flasche, sie zerbricht, und gleich geht es mir etwas besser, auch wenn Trude aufheult.

Tage brauch ich, um den schlimmsten Hass niederzukämpfen. Gott, warum lässt du das Prügeln zu? Ich plag mich matt und leer mit Melken und Füttern und krieg Rückenweh dazu. Ich verleg mich auf das Grinsen wie angewachsen, selbst nach Ohrfeigen, dass Vater sich beruhigt. Ich gewöhn mir einen singenden Ton an, nicht weinerlich, nicht klar, unsicher, nur nirgends anstoßen, find aber keine Ruhe, auch sonntags nicht. Wie schön war früher der Sonntagskuchen, geharkter Hof, Vaters Zigarre. Mein Kopf wie vereist und leer, alles geht an mir vorbei, Schlager aus Willis neuem Kassettenrekorder, Barbara mit Eis am Stiel, das weiße Milchsternleuchten.

Die Wochen quälen sich dahin. Keine Nacht, ohne dass ich verschwitzt aus Träumen aufschreck und seltsame Geräusche hör wie von Glocken, Scharren vor der Tür, dumpfe Stimmen.

„Nu ist genug“, sagt Mutter, „jeden Morgen Kopfkissen nass, und du machst wieder ein.“

Wachte ich doch woanders auf. Nur Traufeld kann mir helfen. Mir fällt die Schule noch schwerer und ich stotter mehr. Ich muss auch Mauser loswerden. Der haut mir auf die Finger.

„Wieder das Blatt voll Kritzeleien; Monster wie Sumpfblasen.“

Wir schreiben mit Kugelschreiber statt Feder. Die Finger halten nicht still, krickeln alles voll: Oma, was hast du große Augen und scharfe Zähne. Die Geister gehen unter im Gekrakel, im Kopf wie Ameisenkribbeln hinter der Stirn. Ich beiß mir die Fetzen von der wunden Lippe.

Nachmittags sitz ich im Gras und ritz mir wieder mit Halmen die Zunge, links, rechts, immer wieder, es muss wehtun. Blut fällt aus dem Mund, Tropfen um Tropfen wie aus Jesus’ Seite.

Traufeld sucht für die neue Krankenhauskapelle Messdiener für die Fünf-Uhr-Messe. „Zur Not genügt einer.“ Keiner will.

Willi will nur zu sieben.



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