Loibelsberger, Gerhard - Nechyba 04 by Todeswalzer

Loibelsberger, Gerhard - Nechyba 04 by Todeswalzer

Autor:Todeswalzer
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2013-07-03T22:00:00+00:00


82 Am 4. August 1914 genehmigte die SPD-Fraktion im deutschen Reichstag die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg.

83 Offizielle Bezeichnung des nicht ungarischen Teils der Doppelmonarchie

XIII./2

Nechyba hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. In der Sommerhitze war er zuerst in die Favoriten Straße 3 gepilgert. Dort befand sich das Johann-Strauß-Theater, ein 1908 eröffnetes Etablissement, das mit seinen 1192 Sitzplätzen zu einem der großen Theaterhäuser Wiens zählte. Hier hatte der junge Schmerda in Kleindarstellerrollen sein Glück als Schauspieler und Operettensänger versucht. Wie Nechyba aus seinen Tagebüchern entnahm, war er hier als Nachwuchshoffnung im Herbst 1911 engagiert gewesen. Mangels Ausstrahlung und wohl auch Talent wurde die Nachwuchshoffnung in der folgenden Saison zum Edelkomparsen degradiert. Ein schmerzvoller Werdegang, den Schmerda schonungslos beschrieben hatte. Hier im Johann-Strauß-Theater lösten sich seine Träume von einer glänzenden Zukunft auf den Brettern, die die Welt bedeuten, in Luft auf. Oder wie es Erich Müller, der Prinzipal des Johann-Strauß-Theaters, Nechyba gegenüber formulierte: »Schaun Sie: Der Alphonse war ja wirklich ein fescher Kampl84 und ein charmanter Kerl. Er ist meinem Vater von der Soubrette Henriette Hugó empfohlen worden. Beste Voraussetzungen also für eine Bühnenkarriere. Der Alphonse und ich, wir waren uns auf Anhieb sympathisch. Ein paar Mal sind wir sogar miteinander drahn85 gegangen. Draußen in Sievering und Nussdorf. Bei solchen Gelegenheiten ist er immer richtig aus sich herausgegangen und hat groß Schmäh g’führt. Aber diesen Schmäh hat er auf der Bühne nicht ausspielen können. Da war er immer irgendwie verklemmt. Auch wenn er sich noch so bemüht hat, er hat auf der Bühne nix ausgestrahlt, der Alphonse.«

Auf Nechybas Nachfrage, warum das so war, zuckte Müller mit den Achseln. Dann zündete er sich eine Zigarette an und meinte nachdenklich: »Vielleicht war da auch ständig die Angst dabei, dass jemand von seiner Familie ihn sehen könnte. Auf der Bühne war er immer gehemmt. Jedenfalls ist er beim Publikum und bei den Kritikern überhaupt nicht angekommen. Und so haben wir ihn halt dann nur mehr als Edelkomparsen eingesetzt. Da ist er nicht weiter aufgefallen.«

Sehr nachdenklich und ein bisschen deprimiert hatte Nechyba das Johann-Strauß-Theater verlassen. Der arme Alphonse! Binnen einer Spielsaison waren seine Träume wie Seifenblasen zerplatzt. Doch er hatte nicht aufgegeben. Es war ihm vielmehr gelungen, in der übernächsten Saison am Raimundtheater unterzukommen. Von der Favoriten Straße 3 ging Nechyba vor zum Wiental, überquerte den Wienfluss und ging dann die Linke Wienzeile und Magdalenenstraße stadtauswärts. Über die Hofmühlgasse kam er zur Gumpendorferstraße und zum Loquaiplatz. Von dort wanderte er die Liniengasse stadtauswärts, bis er zur Wallgasse und zum Raimund­theater kam. Hier hatte er zu Mittag einen Termin mit dem Theaterdirektor. Bei Wilhelm Karczag hatte er weniger Glück als bei Müller. Karczag erinnerte sich nur noch vage an den jungen Schmerda. Sein Urteil lautete: »Völlig unbegabt. Ein Dilettant, ein Möchtegernschauspieler. Erfolgreich nur bei den Weibern, denen er dauernd schöne Augen gemacht hat. Der hat damals einer unserer begabtesten Jungschauspielerinnen, Sissy hat’s geheißen, den Kopf verdreht. Als wir ihn nach einem halben Jahr hinausgeschmissen haben, ist die blöde Gans freiwillig mit ihm mitgegangen. Seitdem hab’ ich von beiden nix mehr g’hört.



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