Liebe Isländer by Huldar Breiðfjörð

Liebe Isländer by Huldar Breiðfjörð

Autor:Huldar Breiðfjörð [Breiðfjörð, Huldar]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 2012-01-27T10:47:22+00:00


Alles ist schön

Nun, da ich den spiegelglatten Hrútafjörður entlangfahre, ist alles schön. Es ist windstill und kaum eine Wolke am Himmel. Die Sonne vergoldet die Straße, die Grashalme am Rand der Piste sind mit Raureif überzogen und die Wasserläufe Bänder aus Eis. Steine ragen aus gefrorenen Teichen, und die Farben leuchten gelb und grün und rot und alles dazwischen. Hinter jeder Anhöhe wartete, eine neue Szene des Abenteuers Island, durch das sich das schnurrende Auto hindurchkrallt auf seinen neuen Spikes. Welch ein Tag! Die Sonne lässt jeden Hügel, jede Wiese, jeden Halm erstrahlen. Alles ist schön.

Während der Fahrt mit der Fagranes hatte sich der grauschimmlige Morgen in einen funkelnagelneuen, strahlend schönen Tag verwandelt. Während ich an Deck stand, mit der kalten Brise im Gesicht, und über das rosafarbene Meer blickte, söhnte ich mich wieder etwas aus mit dem Djúp. In den Fjorden reckten die Berge ihre schneeweißen Gipfel ins Blau des Himmels, und die Täler hier und dort waren mit goldenem Sonnenschein gefüllt. Vorwitzige Seehunde lugten aus dem Wasser, und Eissturmvögel glitten neben der schaukelnden Fähre einher. Ich war ein Isländer! Und diese überwältigende Weite willkommen. Nach und nach wurde Ísafjörður zu einer winzigen Lücke in diesem gähnenden Maul. Der Ort würde so für einen Augenblick unbehelligt im Leben des Landes dastehen dürfen, und dann würde er wieder zuschneien. Eine winzige Spur wehmütig streifte ich soeben die Ewigkeit.

Und die Steingrímsfjarðarheiði? Sie zu überqueren war, wie es manchmal heißt, »die einfachste Sache der Welt«. Oben angekommen, aß ich die Brote, die Gulla mir als Proviant mitgegeben hatte, ließ den Blick über das Djúp schweifen und warf den Westfjorden einen Kuss zum Abschied zu. Als ich wieder unten war, schloss sich ein gewundener Weg an, der an Hólmavík vorbeiführte, über den spiegelglatten Ennisháls, in den eisgeblümten Hrútafjörður hinein, und jetzt schwenke ich wieder auf die Nationalstraße Nummer Eins, die Ringstraße, ein.

Ich mache einen Stopp an der Raststätte Staðarskáli. Esse einen Hamburger und Pommes, studiere die Landkarte und versuche die Entscheidung zu treffen, ob ich mein Nachtlager in Hvammstangi oder in Blönduós aufschlagen soll. Hauptsächlich aber genieße ich es, meine Fahrt durch die Westfjorde abgeschlossen zu haben, und entspanne mich. Nordisland ist mir vertrauter, und ich bin froh, endlich die bevorstehende Strecke zu kennen. Morgen werde ich Vatnsskarð überqueren, und die nächsten Tage werde ich nutzen, um mich im Skagafjörður umzusehen. In meiner Provinz.

Am Nebentisch lehnt sich ein Paar in die Stühle, wettergebräunt, rüstig und in bunte Skianzüge gekleidet. Auf dem Tisch dampft es aus zwei weißen Kaffeebechern. Das ist, wie einer Kakao-Werbung zuzusehen. Warum sehe ich nicht so aus nach all den Strapazen auf dem Land? Ich selbst sitze gebeugt am Tisch. Beinahe zusammengekrümmt. Den Kopf zwischen die Schultern geklemmt, eine glimmende Kippe in der Gusche. Als ich mir dessen bewusst werde, merke ich, wie steif und verkrampft ich bin. Ich fühle mich, als wäre ich eines Morgens zu spät aufgewacht und viele Wochen lang durch einen Schneesturm zum Auto gelaufen. Also versuche ich, etwas locker zu lassen. Lasse die Schultern sinken und lehne mich im Stuhl zurück.



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