Letzte Ruhe - Roman by Blanvalet-Verlag <München>

Autor:Blanvalet-Verlag <München> [<München>, Blanvalet-Verlag]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet-Verlag <München>
veröffentlicht: 2013-06-02T22:00:00+00:00

Tagebuch von Jon Nunn

J. A. Jance

Nach meinem Abstecher nach Chinatown fuhr ich zu einem Meeting, und als das nicht half, besuchte ich ein zweites. Allein bei der Vorstellung, Sarah bei der Gedenkfeier zu begegnen, drehte sich mir der Magen um. Ich wollte sie unbedingt sehen. Nein, ich wollte sie lieber nicht sehen. Ich wollte Stan Ballard eins in die Fresse hauen. Nein, das stimmte nicht. Ich wollte ihm eine Kugel durchs Herz jagen, und zwar mittendurch. Auf diese Weise wären wir quitt – denn dann hätten wir beide ein riesiges Loch, das dort klaffte.

Ich wusste, dass diese Drecksäcke zur Feier des Tages alle aus ihren Löchern gekrochen kämen. Sie hatten gar keine andere Wahl. Schlangen können sich nicht ihr ganzes Leben unter einem Stein verstecken. Sie würden alle kommen, um den Anschein zu erwecken, sie hätten nichts zu verbergen.

Darauf zählte ich. Rosemarys nichtsnutziger Bruder würde unter Garantie erscheinen. Wie könnte er auch anders? Er hatte am Abend der Hinrichtung schließlich im Zeugenraum gesessen, und mir war etwas aufgefallen, was den anderen höchstwahrscheinlich entgangen war: Alle anderen Anwesenden hatten zumindest den Anstand besessen, ein, zwei Tränen zu verdrücken oder zumindest angemessen traurig dreinzusehen. Nicht so Peter Heusen. Er hatte mit grimmiger Miene und staubtrockenen Augen zugesehen, wie die Henker seiner eigenen Schwester die Nadeln in den Arm gerammt hatten. Vielleicht war es eine Folge des Alkohols gewesen. Ich weiß es nicht. Anschließend war er mir in dieser dunklen Sommernacht nach draußen auf den Parkplatz gefolgt. Wir hatten einige Worte miteinander geredet. Besser gesagt, er hatte geredet. Dann war er in einen nicht mehr ganz neuen Lincoln gestiegen und davongefahren. Auch ich hatte mich auf den Weg gemacht, fest entschlossen, mich bis zum Anschlag volllaufen zu lassen. Was ich auch getan hatte. Als ich endlich wieder nüchtern gewesen war, hatte Sarah endgültig die Koffer gepackt gehabt, und mein Job war Geschichte gewesen. Und Peter Heusen? Als gesetzlicher Vertreter seiner Nichte und seines Neffen und Verwalter des Heusen’schen Vermögens hatte er den Sprung in die obere Liga geschafft. Und zwar in die alleroberste. Was Sarah und ihren neuen Ehemann Stan betraf – auch ihre Lebensverhältnisse schienen sich ganz entscheidend verbessert zu haben. Sie alle hatten von Rosemarys Ableben ganz gewaltig profitiert und genossen diesen Zustand in vollen Zügen.

Als ich das zweite AA-Meeting hinter mir hatte, besuchte ich gleich noch ein drittes. In Wahrheit ging es gar nicht ums Trinken. Ich hatte es bislang ziemlich gut hingekriegt, mein Verlangen nach Alkohol in Schach zu halten. Schuld, das war heutzutage die Droge meiner Wahl – der ganz harte Stoff, rein und unverfälscht. Um diese Sucht zu bewältigen, musste ich weit mehr tun, als neunzig Meetings in neunzig Tagen zu absolvieren. Es gab nach wie vor nur ein Heilmittel dagegen: Ich musste denjenigen finden, der für Rosemarys Tod verantwortlich war. Und dafür musste ich Christophers wahren Mörder finden. Und genau das hatte ich gerade vor. Der Ball war ins Rollen geraten, und nun gab es kein Zurück mehr.

Ich dachte an Rosemary und Christopher Thomas. Daran, wie

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