Letzte Freunde by Jane Gardam
Autor:Jane Gardam
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446254275
Herausgeber: Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag München 2016
veröffentlicht: 2016-05-31T16:00:00+00:00
Er blieb für drei Nächte bei Sir, und es kam keine Nachricht aus Herringfleet. Er schlief auf einem Dachboden und lauschte den Vögeln. Er wurde aufgefordert, beim Fußball auszuhelfen, und das war ein Erfolg. In der Turnhalle war es noch besser.
»Du könntest ihnen Russisch beibringen«, sagte Sir am dritten Tag im Vorbeigehen. »Womöglich können wir das demnächst alle brauchen. Aber Deutsch verbiete ich.«
»Ich glaube, da ist ein Auto, Sir.«
»Wo?«
»In der Einfahrt, Sir. Könnte Mr Smith sein.«
»Wunderbar. Fang sofort an. Erste Schritte auf Russisch, erste Klasse. Mit den Steppkes in die Steppe. Ich schicke dann nach dir. Du hast recht. Es ist Mr Smith. Er kommt her. Anscheinend hat er einen Priester dabei.«
Eine Stunde später wurde Terry in den Warteraum für Eltern zitiert, wo ein Tablett mit Tee und Keksen aus der Ration bereitstand und Mr Smith und Father Griesepert ihm erklärten, dass seine Eltern bei dem Luftangriff auf Herringfleet an dem Abend, als er weggegangen war, beide ums Leben gekommen waren. Die Muriel Street war komplett zerstört, ebenso wie die Kaninchenbau-Häuser in den Dünen. Mr Parable war ebenfalls tot, wie auch die Leute vom Fahrkartenschalter. Schwester Watkins war nicht mehr gesehen worden.
Noch an diesem Abend sollte Terry mit Mr Smith aufbrechen. Father Griesepert war als Ehemaliger im Vorstand eines berühmten katholischen Internats in North Yorkshire, wo Terry, so hofften sie alle, für die nächsten Jahre würde bleiben können.
Terry ging allein noch einmal zu Sir und fand ihn an seinem Schreibtisch sitzend, der viel zu groß für ihn wirkte. Er starrte vor sich hin.
Aber er redete schon, bevor Terry durch die Tür war. »Denk dran«, sagte er, »du wirst nicht nur überleben, du wirst strahlen. Denk an Feathers, von dem ich dir erzählt habe. Du wirst noch besser werden als er. Das weiß ich. Ich irre mich nie.
Aber denk auch daran: Ich habe nur eine Statistenrolle in deinem Leben. Einen Gastauftritt. Ab sofort musst du dich selbst um deine Zukunft kümmern.«
Wie geschwollen, dachte Terry. Selbstverliebt. Wie ein Komiker. Braucht dauernd Bewunderung. Bestimmt ein Homo. Blödmann. Nein. Nein.
»Also, auf Wiedersehen, Veneering.«
»Wiedersehen, Sir. Und danke.«
»Beeil dich. Ich muss arbeiten. Mr Smith wartet schon.«
Veneering drehte sich an der Tür noch einmal um, um sie hinter sich zu schließen, und sah Sir wieder vor sich hin starren, mit großen, nassen Augen hinter seiner Brille. Er sah nichts mehr.
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