Leichte Mädchen, schwere Jungen by Hans Hyan

Leichte Mädchen, schwere Jungen by Hans Hyan

Autor:Hans Hyan [Hyan, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2015-07-17T00:00:00+00:00


Rausch.

Eine Sylvestergeschichte.

Da war sie wieder. — Der Schriftsteller Hans Milden ließ die Zeitung sinken und blickte zu der Dame hinüber, die sich auf der andern Bank des Straßenbahnwagens niedergelassen hatte. Das war heute schon das vierte Mal ...... Donnerwetter nochmal.

Und er betrachtete sie über das Abendblatt hinweg mit dem bis in die kleinsten Details gehenden Interesse des Sammlers. Sie war ziemlich groß, schlank und die Rundung in ihrem sicherlich sehr teuern Persianerjaket ließ eine feine aufstrebende Büste erraten. Darunter trug sie die Kleidung der gutgewachsenen Frauen: ein schwarzes Tailormade-Kleid. Der Nerzmuff, ihr grauer Fellhut à la Rembrandt mit der quergesteckten Adlerpose und die hellen Glaces-all’ das war tadellos ..... offenbar ’ne feine Nummer! Denn vorläufig betrachtete Hans Milden sein Gegenüber, wie fast jede ihn interessierende weibliche Erscheinung, von einem absolut „verhältnismäßigen“ Standpunkt.

Er begann nun eine Art chinesischen Fächerspiels mit ihr, wobei das Zeitungsblatt den Fächer ersetzen mußte. Es dauerte auch garnicht lange, da biß sie an. Gerade wie neulich. Ihr Gesicht hatte ein so wundervoll verteiltes Incarnat, daß es eine Lust war, sie anzuzehen. Und der merkwürdige Zug um den Mund — da war etwas von Tränen drin, von Tränen um allein verbrachte Nächte. Ihre scheuen, grauen Augen schossen wie neugierige kleine Vögel zu ihm hin und waren fort, ehe er sie erhaschen konnte ... Aber sie kamen immer wieder ...

Und dann glitten seine Blicke hinab zu dieser reizend stilisierten Büste und blieben an den Knöpfen des Persianerjaketts hängen; aus jedem dieser großen Perlmutterknöpfe fielen feine silberne Schnürchen wohl einen Zoll lang herab, das war ungemein apart..... Und Hans Mildens Phantasie spielte mit diesen Knöpfen, bis sie aufgingen. Sie stieg aus. Er ihr sofort nach.

Hätte er doch nur einen einzigen Kognak im Leibe gehabt! Er hatte auch immer Pech. Sonst, wo es nicht nötig war, dudelte er sich einen an. Und das war leider sehr oft ’ne Geschichte mit bösem Schluß, denn er war, was man alkohol-intolerant nennt, und machte besonders nach dem Genuß von Spirituosen oft die gefährlichsten Dummheiten. Erst neulich noch. Da war er in seinem Dschum zu einem Mann gegangen, dem er mehrere hundert Mark schuldig war, und hatte dem haarklein seine Abnehmer und die allerdings nicht gerade bedeutende Außenstände aufgezählt. Natürlich hatte der biedere darauf nichts eiligeres zu tun, als jeden Pfennig und sogar die künftigen Honorare des Schriftstellers mit Beschlag zu belegen.

„Was wünschen Sie denn eigentlich von mir?“

Hans Milden, schon wieder ganz in Gedanken versunken, prallte erschrocken zurück. Das schöne Mädchen war stehen geblieben. Im Licht der Schaufensterscheibe leuchtete ihr rotes Haar mit dem prachtvollen Schimmer wie Meerfeuer, und ein verstohlenes Lachen hob die zarten Mundwinkel.

Hans Milden faßte sich:

„Mein Gott, wenn Sie mich so direkt fragen .... Ich will Sie begleiten.“

„Wohin denn?“

„Na, nach Hause.“

Sie lachte hell auf:

„Sie sind ja kostbar ... Ich wohne doch bei meinen Eltern.“

„Falle“, — dachte er, laut sagte er:

„Na, das macht doch nichts.“ — Sie lachte wieder:

„Gefalle ich Ihnen denn? Sie sind doch Maler, nicht wahr?“

„Ja, aber mit Worten.“

„Also Schriftsteller? das ist ja fast noch netter ... Wissen Sie, wenn es ginge, ich würde Sie wirklich gern mitnehmen.



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