Leere im Spiegel by Eva Altjohann

Leere im Spiegel by Eva Altjohann

Autor:Eva Altjohann [Altjohann, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bühel
veröffentlicht: 2015-09-08T16:00:00+00:00


Maria schloss die Augen und bemühte sich, an nichts zu denken. Den PC tat sie zur Seite. Doch schon bald wurde sie unruhig, setzte sich gerade hin und nahm den Laptop wieder vor. Die Uhr auf dem Bildschirm sagte ihr, dass sie ihn nur sieben Minuten zur Seite gelegt hatte.

»Ich lass mich doch jetzt nicht von solchen Gedanken aufhalten!«, munterte sie sich selbst auf und arbeitete weiter.

Erst als ihr Magen so sehr knurrte, dass sie sich nicht mehr konzentrieren konnte, ging sie an den Kühlschrank und holte sich die Reste vom vorigen Abend.

Sie musste lachen, als sie sich ein Stück Käse und die letzten Oliven in den Mund steckte. Wie Sechzehnjährige hatten sie und Lukas sich verhalten. Erstaunlicherweise hatte es sich in dem Moment gar nicht komisch, sondern genau richtig angefühlt.

Als sie mit vollem Mund ihren Blick wieder auf den Laptop richtete, erkannten ihre Augen zwar das Titelblatt der Präsentation, doch sie schienen das, was sie sahen, nicht an ihr Hirn weiterzuleiten. Dort hatte sie lediglich Zugriff auf ein anderes Bild, das ihr in diesem Moment so gar nicht in den Kram passte.

Für einen kurzen Augenblick überlegte sie, ob sie gerade im Begriff sei, die Schwelle zur Verrücktheit zu überschreiten. Aber es gab ja auch Leute, die an Vorhersehung und so weiter glaubten, und zwar gar nicht so wenige. Sogar ihre beste Freundin.

Aufmerksam richtete sie ihren Blick wieder nach innen und grüßte die alte Frau, die sie sanft ansah. Sie schien zufrieden. Fast hatte Maria das Gefühl, als würde sie ihr zunicken.

Voller Hoffnung ging sie zum Spiegel und schaute sich ins Gesicht. Ihr Blick wirkte im ersten Moment stark und entschlossen wie immer. Maria sah genauer hin. Ergründete ihre Augen. Die Leere, die sie noch vor kurzem so erschrocken hatte, war verschwunden. Maria guckte zur Seite, dann erneut in den Spiegel. An die Stelle der Leere war etwas anderes getreten. Aber was genau war es? Etwas Tiefgreifendes war geschehen. Das spürte sie, noch ehe sie seine Ursache erkannte. In ihren Ohren begann es zu summen, ihr Adrenalinspiegel stieg. Ihr ganzer Körper stand unter Hochspannung, aber da war keine Panik, keine Angst. Als sie schließlich verstand, was sich verändert hatte, begann sie zu zittern. Maria sah sich. Kann man sich selbst nur in seinen Augen sehen?, schaltete sich ihr Kopf ein. Nein. Und dennoch wusste sie es. Sie sah sich, wie sie war. Nur sie. Nicht ihr Aussehen, nicht ihren Job oder das, was sie sich in ihrem Leben erschaffen hatte. Schlicht. Einfach. Sie.

Maria konnte es kaum glauben. Da arbeitete sie an etwas, das ihr Freude bereitete, und zugleich löste sich ihr Problem wie von allein. War das Leben so einfach?

Motiviert und mit einer großen Leichtigkeit im ganzen Körper schwebte sie zurück ins Wohnzimmer. Die bunten Klebezettel trotzten der hereingebrochenen Dunkelheit und waren noch gut zu erkennen. Maria überlegte kurz, ob sie sich erneut an die Arbeit machen sollte, verhandelte die Frage mit ihrer Müdigkeit und setzte sich schließlich, um noch zwei weitere Seiten zu gestalten.

Als Überschrift schrieb sie:

Der Begüterte, Erfolgreiche, Selbstbewusste, Offensive hat Recht.



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