Kronhardt by Ralph Dohrmann

Kronhardt by Ralph Dohrmann

Autor:Ralph Dohrmann
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2012-06-18T22:00:00+00:00


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Sie saßen zu dritt bei Hector Luna und stießen an. Willem war gesprächig, und Inéz ließ sich von seiner guten Laune anstecken.

Ich wünschte, ihr würdet euch nicht betrinken, sagte Barbara. Sie wirkte dünnhäutig, und womöglich hatten die Alten ihr wieder Ärger gemacht. Doch als Willem nachfragte, winkte Barbara nur ab. Natürlich verweigerten die Alten jedes Gespräch über neue Mitarbeiter. Doch das sei im Moment gar nicht ihr Problem. Sie wisse immer noch nicht, ob sie diesen zukünftigen Mitarbeitern eher eine kleinere oder größere Küche im Speicherhaus zur Verfügung stellen solle, und sie habe dem Architekten eine baldige Entscheidung versprochen.

Ich dachte, das sei längst beschlossen, sagte Inéz.

Doch Barbara waren Zweifel gekommen, ob das angedachte Konzept der Miniküche wirklich gut sei. Ob räumliche Enge in so einem elementaren Bereich tatsächlich die Homogenität eines Kollektivs fördere; die Dynamik und das Wir-Gefühl, meinte sie.

Einmal sei er mit Schlosser in ein nagelneues Hochhaus eingestiegen, sagte Willem. Ein Gefühl, als wären ringsherum alle anderen Menschen ausgestorben. Hokuspokus vom Gipfel ihres Kulturzustands, und so wären sie damals durch die Stockwerke gestreift. Wie auf vergangenen Spuren, und was sie gesehen hätten, seien identisch gemachte Einheiten gewesen; eine kompatible Kultur.

Worauf er aber hinauswolle, sei die Frankfurter Küche. Sechseinhalb Quadratmeter, gleichgeschaltet über zwölf Stockwerke; alles mit einem Handgriff erreichbar und statistisch erforscht. Alles ausgerichtet auf die Frau am Herd, auf Effizienz und Zeiteinteilung, auf die Versorgung der Kinder und natürlich die ehelichen Bedürfnisse des Arbeiters. Das also, sagte Willem, sei sein erster Eindruck von einer Miniküche gewesen.

Spätere Erlebnisse hätten ihm Wohnküchen gezeigt; fruchtbare Orte, und es sei keine Frage, daß die geistigen Produkte solcher Wohnküchen eine nur bedingt von der Statistik erfaßbare Dynamik entwickeln würden, und in der Regel fürchteten die Systeme die Wohnküche. Diesen Typus der Feuerstelle, wo das System an sich jederzeit in Frage gestellt werden konnte.

Von dieser Warte aus betrachtet, sei die Miniküche also die eindeutig bessere Variante. Auch wenn er im Grunde seines Wesens die systemzersetzenden Triebe einer Wohnküche bevorzuge.

Also doch die Miniküche?

Da gebe es keinen Zweifel, und er prostete ihr zu.

Schließlich habe Barbara die Absicht, zukünftige Mitarbeiter gezielt auf Eigenschaften zu trimmen, und wolle eine korporative Truppe, die sich mit Kronhardt&Focke identifiziere. Und um das zu erreichen, müsse sie nur die Effizienz der Frankfurter Küche ein wenig umwandeln. Müsse die Miniküche in eine Art dynamische Feuerstelle verwandeln, in eine Brutstätte für Erfolg, und so sei es natürlich ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl zukünftiger Mitarbeiter, ob sie miniküchentauglich wären. Ob es nach vorne losgehen könne, wenn man mit diesen Menschen in absichtlich geschaffener Enge zusammenhocke; ihre Pickel zähle und niemand mehr rote Skleren oder verklebte Achseln kaschieren könne.

Sie müßten also, meinte er, von der Küche auf die Mitarbeiter schließen. Typen, die sich von so einer Miniküche zusammenschweißen ließen; die bereit seien, in der quasi übergeordneten Distanzlosigkeit die Aufrechterhaltung scheinbarer Selbstbilder aufzugeben, um dieses freigesetzte Potential Kronhardt&Focke zur Verfügung zu stellen.

Willem saß da und schenkte Wein nach.

Barbara hatte sich Stichpunkte gemacht; sie kreiste Wörter ein, verband sie mit Strichen, malte große Fragezeichen. Dann sagte sie: Und du, Inéz?

Die Spanierin lachte.



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