Koblanks by Erdmann Graeser

Koblanks by Erdmann Graeser

Autor:Erdmann Graeser [Graeser, Erdmann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-06-05T00:00:00+00:00


'Ja, singe man, du armet Schäfken du', sagte Frau Schimpkus und strich über das dunkle, weiche Haar der Kleinen. 'Singe du man! Um Theo is mir nicht bange, in den sieht se ja Vatern, aber dir, armet Würmeken, wird se’s woll entjelten lassen, det du ihr immer an die andere erinnerst!'

Theo beachtete Frau Schimpkus ebenfalls nicht mehr, er hatte wieder zu lernen begonnen, aber als sie aus der Stube war, unterbrach er sich plötzlich lachend und sagte: 'Du, weißte Elli, wie Bindemann immer sagt? Hic, haec, hoc, der Lehrer kommt mit ’n Stock!'

Aber Elli wandte, ohne zu lächeln, das Gesicht wieder ab und sang weiter.

'Du bist zu doof!' sagte Theo. 'Hör bloß schon mit dem dummen Gesinge auf, ich kann dabei nicht lernen.'

Elli packte schweigend ihre Bilder zusammen, sah den Bruder nicht an, ging an ihm vorüber, ließ sich den Knuff in den Rücken gefallen und verschwand in dem Gang nach der Küche.

Theo sah ihr nach. Das war immer ihre Art, wegzugehen, als sei er für sie Luft. Das hätte er bedenken sollen, denn nun hatte er plötzlich alle Lust verloren, weiterzulernen, allein zu sein. Er sah noch einmal in die Grammatik, beendete in Windeseile seine Deklination und sagte sich selbst zur Beruhigung: 'So – das kann ich! Religion hab’ ich schon, Rechnen auch – und dann bin ich fertig!'

Damit stopfte er die Bücher in den rindledernen Tornister mit dem Seehundsfell und fühlte sich als freier Mann. Eigentlich wußte er aber nicht recht, was er nun beginnen wollte. Sollte er ins Nachbarhaus gehen und nachsehen, ob seine Braut dort im Hausflur spielte? Sie hieß Anna Bang und war nach seiner Auffassung schön, obwohl es für jeden Unbeteiligten sofort erkennbar war, daß seine jungen, noch ungeübten Sinne das Opfer einer groben Geschmacksverirrung geworden waren. Das erste, was an Anna auffiel, war die Nase, an deren Löchlein immer etwas saß, was an ein Schneckenpaar erinnerte. Auch Theo mußte dies etwas gestört haben, denn als er ihr den Verlobungskuß gegeben, hatte er vorher ausgemacht, daß sie sich während dieses weihevollen Vorgangs die Schürze vors Gesicht hielt – er sie also nur durch das Tuch zu küssen brauchte.

Bei diesen etwas umständlichen Vorbereitungen hatte er jedoch, da sie am Hackklotz im Hofe geschahen, die Aufmerksamkeit einiger älterer, mißgünstiger Frauen aus dem Hinterhaus erregt, und kaum hatte er sich mit Anna Bang verlobt, als diese Weiber auf dem Hofe erschienen, eins davon die unglückliche Braut der Mutter zuführte, das andere Theo mit einem nassen Wischlappen bedrohte.

'Watte man, du Strolch, du fängst ja früh an! Ick werd’s Frau Schimpkus sagen, det se’s dein’ Vatern steckt. Da kann er sich ja freien, det ihm sein Früchtchen so ähnlich wird – der Appel fällt wirklich nich weit von ’n Stamm! Laß dir hier nich noch mal sehen!'

Trotz dieser Mißgunst hatte es Theo verstanden, die zarten Beziehungen, die ihn mit Anna verbanden, aufrechtzuerhalten. Freilich, das Küssen war ihm vergangen, sie bekundeten sich ihre Liebe jetzt dadurch, daß sie sich kleine Bleiringe mit blauen und grünen Glassteinen schenkten, die sie beim Einkauf von Schulheften von Frau Buschhardt 'zubekamen'.



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