Knochenpalast - Novelle by Bart Andrzej

Knochenpalast - Novelle by Bart Andrzej

Autor:Bart, Andrzej [Bart, Andrzej]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: ISBN 978-3-7317-6034-4
veröffentlicht: 2014-05-04T16:00:00+00:00


Bronisław trifft ein

Als Sabina aus dem Bad kommt, hört sie die Türklingel. Seit einer Stunde weiß sie, dass das nicht nur für sie ein außergewöhnlicher Moment ist. Das dunkelblaue Kleid mit dem Spitzenkragen hat Mama zuletzt zur Hochzeit ihrer Schwägerin Klara getragen. Als Wodzickis Besuch anstand, hat sie nur eine bessere Bluse angezogen. Und der Käsekuchen? Er sieht aus wie eine Hochzeitstorte!

Zusammen mit Mama geht sie zur Tür. Ohne durch den Spion zu schauen, öffnet sie. Frau General, ihre Nachbarin, lächelt freundlich.

»Meine Lieben, könnt ihr mich mit einer Kopfschmerztablette retten? Mir platzt der Schädel, und mein Mann ist nicht zu Hause …«

Sie bekommt die ganze Packung und geht mehrfach dankend zurück in ihre Wohnung. Bronisław klingelt drei Minuten später. Mama beäugt ihn zuerst durch den Spion. Bronisław in einem weißen Hemd mit Krawatte. In der Hand hält er Blumen, zwei rote Nelken und zwei weiße.

»Mama, das ist Bronisław. Bronek, das ist meine Mutter.«

»Es freut mich, dass Sie gekommen sind.«

»Falski, sehr angenehm.« Bronisław küsst Mama die Hand und überreicht ihr die Blumen. »Gestatten Sie, die Nationalfarben zu Ihren Händen.«

»Danke schön. Ich stelle sie gleich in eine Vase. Sabinka, führe Herrn Falski hinauf, ich meine ins Zimmer.«

Sabina macht eine einladende Handbewegung, doch Bronisław möchte ihr den Vortritt lassen. Einen Moment lang tanzen sie so umeinander herum. Bevor sie das Zimmer betreten, gelingt es Sabina, ihrer Mutter einen Blick zuzuwerfen. Sie bekommt die Bestätigung (ein Lächeln und eine diskrete Handbewegung), dass er in der Tat beeindruckt hat.

Bronisław taxiert aufmerksam den Raum, doch sieht er sich nicht wirklich um. Er fragt, welcher Stuhl am Tisch für ihn ist. Er bittet um ein kleines Stück Käsekuchen, da er, wie gesagt, nicht gewöhnlich sei. Sabina will ihn verbessern und »nicht gewöhnt« sagen, aber das ist mehr ein Reflex als ein Bedürfnis. Sie reden über einen Blindgänger, der gestern bei den Wasserwerken gefunden wurde. Er soll noch größer sein als der vom Banken-Platz. Es ist nicht klar, warum die Möglichkeit einer Explosion Bronisław erheitert.

»Ich habe solche Angst vor diesem Besuch, dass es eine Explosion als Erinnerung braucht, damit mir wieder etwas einfällt. Ich habe ein gutes Gedächtnis, aber ein löchriges. Kann man das von einem Gedächtnis sagen?«

»Natürlich.«

»Löchrig wie ein Sieb.« Er greift in die Innentasche seines Jacketts und holt ein Buch hervor. Es ist in Papier eingewickelt. »Ich habe es im Antiquariat gekauft und vergessen, es dir zu geben. Ich weiß, dass ich dir mit Büchern nicht imponieren kann, aber denk daran, dass ich mir Mühe gegeben habe.«

Sabina packt das Geschenk aus. Wieder wird ihr bewusst, dass sie keine Menschenkennerin ist. Von Bronisław hätte sie alles erwartet, nur nicht dieses Buch.

»Kochanowski? In einer Ausgabe von Mortkowicz. Du konntest gar nicht wissen, dass ich das schon immer haben wollte.«

»Ich habe einfach den Antiquar gefragt, was ich einer Frau schenken soll, die schön ist, klug und zu alledem noch für die Verbreitung von Poesie sorgt.« Bronisław macht ein bescheidenes Gesicht, als wäre das alles nicht sein Verdienst.

»Sag nur nicht, dass du nichts von Büchern verstehst. Man merkt doch gleich, dass das bloß Koketterie ist.



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