Kleine Kannibalen by Krol Torsten

Kleine Kannibalen by Krol Torsten

Autor:Krol, Torsten
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-06-16T16:00:00+00:00


SIEBEN

Die zwei Tage, die Wentzler herausgeholt hatte, damit Mutter sich erholen konnte, brachten nichts. Jedenfalls in der Beziehung nicht. Mutter verbrachte viel Zeit auf den Knien und betete. Zeppi beobachtete sie aus seiner Hängematte, bis er es nicht mehr aushielt und wegrannte, um mit seinem Affen zu spielen oder im Fluss zu schwimmen. Ich wurde ganz krank von dem Anblick, wie Mutter sich mit gesenktem Kopf über die gefalteten Hände beugte. Ein paarmal versuchte ich, mit ihr zu reden, aber sie sagte immer nur, dass ich mir keine Sorgen machen solle, weil alles in Heinrichs und Gottes Händen läge.

Wentzler erzählte mir, dass Tagerri vorgeschlagen hatte, ich solle mit ihm in den Dschungel gehen und den Baum für das zweite Kanu aussuchen, ich lehnte das aber ab, und auch Wentzler hielt das für eine kluge Entscheidung. Falls Tagerri hinterher alleine mit meinem Eisernen Kreuz um den Hals zurückkäme und eine traurige Geschichte erzählte über einen Jaguar, der mich verschleppt hätte, oder über eine Anakonda, die mich verschlungen hatte, welcher Yayomi würde ihm dann nicht glauben? Als Tagerri erfuhr, dass ich nicht mitging, sah er mich finster an und ging allein in den Wald mit einer von den alten Macheten, die Wentzler dem Stamm vor elf Jahren geschenkt hatte.

Es gab natürlich noch einen zweiten Grund, nicht mitzugehen, und der war, dass ich Zeit mit Awomay verbringen wollte, während ihr zukünftiger Ehemann unterwegs war. Wentzler war kein Narr. Er erzählte mir, dass er auch einmal jung war und wüsste, was in mir vorging, und dann warnte er mich davor, eine so große Dummheit zu begehen, die selbst ein so hübsches Mädel wie Awomay nicht wert sei. »Tagerri hat mindestens ein halbes Dutzend Verwandte, und die werden euch die ganze Zeit im Auge behalten, verlass dich drauf. Und bei dem geringsten Verstoß gegen die Regeln, der eine Verlobung unterliegt, wird Tagerri dich zu einem Kampf herausfordern. Und da hättest du überhaupt keine Chance. Also halt dich von ihr fern.«

Ich sagte, dass ich das tun würde, und meinte das in dem Moment sogar ernst, aber ich konnte den Gedanken nur schwer unterdrücken, dass es mein gutes Recht war, mit ihr zusammen zu sein, wenn sie das auch wollte. Dann bin ich aber doch wieder mit ihrem Bruder auf die Jagd gegangen. Kurz bevor Kwaytcha mit dem Zabatana und den Pfeilen zu mir herüberkam und mir vorschlug, dass ich mitkommen sollte - mit einem einfachen Kopfzucken, das ich sofort verstand -, hatte er sich mit seinem Vater, Noroni, unterhalten, und ich hatte das Gefühl, dass Noroni ihm gesagt hatte, er solle mich so lange aus dem Shabono rausschaffen, wie Tagerri weg war, damit ich nicht in die Versuchung kam, irgendwelche Dummheiten mit Awomay zu machen. Er war einfach ein besorgter Vater, der wollte, dass seine Tochter den richtigen Mann heiratete. Aus Noronis und Tagerris Sicht den richtigen Mann, meine ich damit. Wentzler hatte gesagt, dass die Frauen bei den Yayomi nur wenig oder gar nicht mitreden durften, wenn eine Entscheidung getroffen wurde, aber so geht es den Frauen wohl fast überall.



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