Kinder (German Edition) by Wladimir Galaktionovich Korolenko

Kinder (German Edition) by Wladimir Galaktionovich Korolenko

Autor:Wladimir Galaktionovich Korolenko [Korolenko, Wladimir Galaktionovich]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-04-10T22:00:00+00:00


VII.

Der Regen hatte offenbar ganz aufgehört. Das frühere ununterbrochene Tosen war nun oft abgebrochen, und zwischendurch. Traten, die fernen Geräusche deutlicher hervor: das Wogen der Baumwipfel, das Bellen des verschlafenen Hundes und noch ein dumpfer Ton, der, irgendwo sehr weit, etwa am Ende der Welt beginnend, jetzt allmälig anschwoll und immer näher herankam.

»Da fährt jemand,« sagte Mordjik.

»Weit weg ist's, in der Stadt.«

Mitten im Schlummer und Schweigen der Nacht, das nur vom Plätschern, des Wassers aus den Dachrinnen und vom Brausen des Windes unterbrochen wurde, zwang dieses vereinzelte Geräusch von Wagenrädern zu unwillkürlicher Aufmerksamkeit. Wer fährt da, und wohin in dieser seltsamen Nacht? ... Wassja wurde nachdenklich, Ihm erschien in der Ferne ein winziges Wägelchen, das durch die öden und finsteren Straßen jage, unbedingt ein winziges, mit winzigen beschlagenen Räderchen, weil auch dieses melodische Geräusch leise und zart erschien, so deutlich es auch herankam. Winzige Pferdchen schlagen einen raschen Wirbel auf dem Pflaster und ein winziger Kutscher erhebt die Hand mit der Knute. Wer ist's denn, der da zu später Stunde durch die Straßen der schlummernden Stadt fährt? ... Die Räder polterten, rollten näher heran, immer schneller, dann hörte der Lärm plötzlich auf und man vernahm, nur das dumpfe Knarren auf der ungepflasterten Straße; bald klang der Radreifen an ein Steinchen an, bald knarrte der hölzerne Kutschkasten, und das immer näher und näher.

»Auf dem Feldwege fährt er zu uns,« sagte Mordjik. Das Haus stand am äußersten Ende der Stadt, neben einem freien, mit allerhand Gräsern bewachsenen Platze. Wer konnte doch da zu ihnen gefahren kommen bei Nacht, noch dazu in solch einer Nacht, da es ohnedies so seltsam zugeht, und auch noch ein kleines Kind bei ihnen geboren werden soll?

Und mit einem Male verschmolz dieses Geräusch eines herankommenden Wagens mit allem, was ungewöhnlich war, mit allem, was sich nur in dieser einen Nacht bei ihnen zutrug. ...

Den Athem anhaltend lauschten die Kinder, wie das Hofthor geöffnet wurde, wie die Räder im Hofe knarren and wie man bei der Freitreppe vorfährt. Dann wurde das Gethue stärker, das Thürenzuschlagen und die Bewegung auf dem jenseitigen Flügel häufiger.

»Hat man das Kindchen gebracht?« fragte Wassja.

»Schweig! ...«

Wassja lauschte, und in seiner Phantasie baute sich ein seltsames Bild auf: Engel schieben sich aus der Kalesche heraus. Sie tragen sorglich ein Kindchen, übergeben es der Mutter und begrüßen sie: Gott mit Euch, Gott, mit Euch! Nehmt es, bleibt alle am Leben. ...

Aber nur das ist seltsam: im Hause ist alles so stille und niemand jubelt. Das Rasten drüben ist verstummt, die Thüren. werden nicht mehr zugeschlagen. Jemand war im Korridor vorsichtig bis an die zunächst befindliche Thüre herangekommen, wo die alte Tante wohnte, welche niemals aus ihrer Stube gieng, und Wassja hörte folgendes Gespräch:

»Gottlob, er ist angekommen! Jetzt wird alles gut werden.«

»Ach, Herrin, wartet mit der Freude! Immer ohnmächtig ist sie. ... Mein Gott, wie schwer. ...«

Dann knarrte eine Thüre, und alles verstummte.

Nach einem Augenblicke kam die alte Kinderfrau in die Kinderstube gelaufen. Die grauen Zöpfe hatten sich nun ganz vorn unter dem Kopftuch hervorgeschoben, Thränen flossen ihr über das runzelige Gesicht.



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