Kartoffeln mit Stippe by Ilse Gräfin von Bredow

Kartoffeln mit Stippe by Ilse Gräfin von Bredow

Autor:Ilse Gräfin von Bredow [Bredow, Ilse Gräfin von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Scherz Verlag GmbH, Bern und München
veröffentlicht: 1981-12-10T23:00:00+00:00


8. Das Kusinchen

Vaters Gefühle gegenüber seinem Schwager waren zwiespältig. «Der gute Karl weiß nicht nur alles, er weiß auch alles besser», schimpfte er gern. Die beiden kabbelten sich oft, was Onkel Karl jedoch nicht hinderte, allein oder mit der Familie häufig mal eben von seinem zwei D-Zugstunden entfernten Gut «auf einen Sprung» zu uns zu kommen.

Uns Kindern war Onkel Karl ziemlich gleichgültig. Wir liebten Tante Sofie, und wir haßten unsere gleichaltrige Kusine Elisabeth.

Klein-Didi, wie sie von ihrem Vater zärtlich genannt wurde, war ein rechtes Goldkind. Sie hatte seidiges, blondes Haar, und ihre Haut verdunkelte sich in der Sommersonne nicht wie bei uns zu einem schmutzigen Braun, sondern behielt bis in den Winter hinein einen warmen Honigton. Teure Ballettstunden hatten dafür gesorgt, daß ihre Bewegungen anmutig und geschmeidig waren. Sie liebte es, sich wohlgefällig im Spiegel zu betrachten, sich vor ihm hin und her zu wenden und ihr Körperchen wie Knete zu streicheln und zu betasten.

Wir waren froh, wenn wir von den Erwachsenen in Ruhe gelassen wurden. Sie aber trieb sich mit Vorliebe bei ihnen herum und war ganz Ohr, wenn uralte Familiendramen neu aufgebacken wurden. Vater mochte es nicht, wenn man ihm zu nahe auf den Pelz rückte. Er machte deshalb jedesmal unwillkürlich eine scheuchende Bewegung, als wollte er eine lästige Katze verjagen, wenn sie sich zwischen ihn und ihren Vater auf das Sofa quetschte. Onkel Karl war dagegen ganz vernarrt in seine Tochter. «Na, mein Mäuschen», schnurrte er, und Didi warf ihr langes, offenes Goldhaar zurück, so daß es Vater unangenehm in der Nase kitzelte, und piepste: «Ach, Papilein.»

Für uns war sie eine scheinheilige, verlogene, boshafte Hexe, raffiniert genug, uns Geschwister im Handumdrehen gegeneinander aufzuhetzen, so daß wir den verdutzten Eltern unerwartet den Anblick dreier sich streitender, prügelnder kleiner Idioten boten, während Didi selbst, ein Bild süßer Harmonie, still in einer Ecke saß und, vor sich hinsummend, eifrig malte. Meinen sonst schon recht vernünftigen Bruder Billi verhexte sie beim Angeln derart, daß er wie ein Irrer lachte, anstatt ihr eine zu kleben, als sie die gefangenen Plötzen und Barsche wieder zurück in den See warf. Ja, er entblödete sich nicht, ihr dabei noch zu helfen, während Bruno, der Krepel, vor Wut über so viel Schwachsinn fast einen seiner epileptischen Anfälle bekam.

Vor Didis Habgier war nichts sicher. Sie klaute mir meine gläserne Lieblingsmarmel, in die ein weißes Lamm eingeschlossen war, und köpfte unsere schönsten Papierpuppen, ohne daß wir ihr etwas nachweisen konnten. Ihr letzter Besuch bei uns im Forsthaus war besonders unerfreulich gewesen. Die schlimmste Gemeinheit hatte sie sich noch kurz vor ihrer Abreise geleistet. Vater war mit Tante Sofie ins Kinderzimmer gekommen, als sie sofort losquengelte: «Mami, Omamis Spieluhr.»

«Ja, ja, das Leben ist voller Erinnerungen», sagte Tante Sofie, die herzensgute, ohne zu begreifen, worauf ihre Tochter eigentlich hinauswollte.

«Aber sie gehört mir», rief das Goldkind. «Kannst Paps fragen.»

«Das ist mir neu», sagte Tante Sofie.

«Vera hat sie von ihrer Großmutter bekommen. Ich war selbst dabei, als Mutter sie ihr geschenkt hat», sagte Vater.

«Aber natürlich, Alfred», beschwichtigte ihn Tante Sofie. «Die Sache ist doch nicht der Rede wert.



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