Inversion by Christopher Priest

Inversion by Christopher Priest

Autor:Christopher Priest
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Trivial-SF
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2020-01-12T23:00:00+00:00


7

Am Morgen sah Helward, dass die Mädchen sich im Lauf der Nacht noch weiter verändert hatten. Er schätzte, dass jetzt keine mehr größer als einen Meter fünfzig war; sie sprachen schneller als zuvor, und ihre Stimmlage war merklich höher.

Keine kam mehr in ihre Kleider. Lucia versuchte es, aber die Beine ihrer Hose waren viel zu eng, und die Hemdärmel platzten auf. Als sie das Lager verließen, blieben die Kleider der Frauen zurück, und sie gingen nackt weiter.

Helward konnte nicht die Augen von ihnen abwenden. Mit jeder Stunde schien die Veränderung deutlicher zu werden. Ihre Beine waren nun so kurz, dass sie nur noch winzige Schritte machen konnten, und Helward musste sein Tempo vermindern, um sie nicht hinter sich zu lassen. Außerdem fiel ihm auf, dass ihre Haltung im Verhältnis zu seiner zunehmend nach vorn geneigt wirkte, als gingen sie einen unsichtbaren Hang hinauf, während er eher das Gefühl hatte, dass es bergab ging.

Sie beobachteten ihn ebenfalls, und als sie haltmachten, um etwas zu trinken, herrschte unbehagliches Schweigen in der seltsamen Gruppe, während die Feldflasche herumgereicht wurde.

Auch mit dem Land rundum gingen sonderbare Veränderungen vor. Die Spuren des Linksaußen-Gleises, denen sie noch immer folgten, waren jetzt kaum mehr zu erkennen. Die letzte deutliche Spur eines Schwellengrabens war mehr als hundertdreißig Zentimeter lang gewesen, aber nur wenige Zentimeter tief. Das benachbarte Schienenpaar, das Linksinnen-Gleis beziehungsweise die Spuren davon, war jetzt nicht mehr zu sehen; nach und nach hatte der Abstand zwischen den Gleisen zugenommen, bis die nächste Spur jetzt mehr als eine halbe Meile weiter östlich verlief.

Die Frequenz der Widerlagerstationen hatte zugenommen. An diesem Vormittag waren sie bereits an zwölf solchen Stellen vorbeigekommen, und nach Helwards Berechnung blieben nur mehr neun bis zu ihrem Ziel.

Aber wie sollte er das Dorf der Frauen erkennen? Das Land hier war ungewöhnlich flach und gleichförmig. An ihrem Rastplatz sah es aus wie auf einem erstarrten Lavafeld: nichts, was den geringsten Schatten gespendet hätte. Helward sah sich den Boden genauer an. Wenn er kräftig mit den Fingern darüber strich, konnte er noch einige Unebenheiten ausmachen, doch obwohl es lockerer, sandiger Boden war, fühlte er sich schwer und zäh an.

Die Mädchen waren jetzt nicht größer als neunzig Zentimeter, und ihre Körper hatten sich noch mehr verzerrt. Ihre Füße waren flach und breit, die Beine kurz und dick, der Rumpf wie breitgequetscht. Ihr Anblick wirkte grotesk und hässlich auf ihn, und er wurde sich bewusst, dass ihre hohen Zwitscherstimmen ihn irritierten, so faszinierend er auch diese unerklärlichen körperlichen Veränderungen fand.

Nur das Baby hatte sich nicht verändert. Soweit Helward es beurteilen konnte, war es genau so, wie es immer gewesen war. Im Vergleich mit seiner Mutter jedoch wirkte es unproportioniert riesig, und der plumpe Zwerg, der Rosario geworden war, starrte es mit stummem Entsetzen an.

Das Baby stammte aus der Stadt.

Wie auch Helward selbst von einer Frau von außerhalb geboren worden war, so war Rosarios Baby ein Kind der Stadt. Welche schreckliche Veränderung auch über die drei Frauen und das Land, aus dem sie stammten, gekommen sein mochte, weder er noch das Kind waren davon betroffen.



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