In Liebe Agnes by Hakan Nesser
Autor:Hakan Nesser [Nesser, Hakan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: PeP eBooks
veröffentlicht: 2015-12-15T16:00:00+00:00
Es ist nicht der Tod. Es ist etwas anderes. Ich träume von diesen beiden miteinander verflochtenen Händen, die eine weiß, die andere von sanftem Bronzeton. Ich habe seit zwei Tagen nicht mit Henny gesprochen, was an sich schon ungewöhnlich ist; nach meinem Anfall in der Mensa bin ich zu Hause krank in meinem Bett gelegen, ich weiß übrigens gar nicht, ob ich krank bin, ich habe einfach nur beschlossen, eine Weile im Bett zu bleiben. Als Henny endlich anruft, sage ich, dass ich Fieber habe, ich stelle keine Fragen, und ich merke, dass Henny das Reden schwerfällt.
Meine Mutter ruft Dr. Moeßner an, aber der kann nichts feststellen. Seine vorläufige Diagnose lautet Überanstrengung, er empfiehlt Ruhe und Obstsaft.
Am Freitag, nach einer Woche, fühle ich mich besser und gehe wieder zur Schule. Ich habe eine Matheklausur verpasst, aber das ist ja nicht die Welt. Henny und einige andere aus der Klasse fragen, ob ich abends mit auf ein Bier komme. Ins Vlissingen, wie üblich, danach gibt es im Embargo Klub am Kleinmarkt ein Rockkonzert. Ich lehne ab, mit der Begründung, dass ich doch krank war, aber den ganzen Tag lasse ich Tristram und Henny nicht aus den Augen, sehe jedoch kein Händchenhalten und fange keine unangebrachten Schwingungen auf.
Aber ich bin erfüllt von einer Art Stummheit und einer unterdrückten Empörung, die ich fast nicht verbergen kann.
»Was ist eigentlich los mit dir?«, fragt Henny nach der letzten Stunde.
»Nichts«, sage ich. »Bild dir ja nichts ein.«
»Ich soll mir nichts einbilden?«, fragt Henny. »Was sollte ich mir denn einbilden?«
»Tu doch nicht so«, sage ich.
Es ist ein unglaublich blödsinniger Wortwechsel, aber wir führen ihn pflichtschuldigst durch. Henny mustert eine Weile ihre ziegelrot lackierten Fingernägel.
»Ist es wegen der Sache in der Mensa?«, fragt sie.
»Ich verstehe nicht, wovon du redest«, sage ich.
»Ist auch egal«, sagt Henny.
»Was ist egal?«, frage ich.
»Alles«, seufzt Henny. »Alles ist egal. Warum bist du eigentlich so gereizt?«
»Ich war krank«, sage ich.
Henny schaut auf die Uhr, und dann trennen sich unsere Wege.
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