In einem anderen Land by Ernest Hemingway

In einem anderen Land by Ernest Hemingway

Autor:Ernest Hemingway
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3 499 10216 1
Herausgeber: Rowohlt Verlag


02

Ich ging an die Tür und sah hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war dunstig.

«Wollen wir hina ufgehen?» fragte ich den Priester. «Ich kann nicht lange bleiben.» «Kommen Sie hinauf.»

Wir gingen die Treppe hinauf und in mein Zimmer. Ich legte mich auf Rinaldis Bett. Der Priester saß auf meinem Lager, das der Bursche zurechtgemacht hatte. Es war dunkel im Zimmer. «Nun», sagte er, «wie geht's Ihnen wirklich?»

«Es geht mir ganz gut. Heute abend bin ich müde.» «Ich bin auch müde, aber ohne Grund.» «Was ist mit dem Krieg?»

«Ich glaube, er ist bald vorbei. Ich weiß nicht warum, aber ich fühle es.»

«Was fühlen Sie?»

«Wissen Sie, wie Ihr Major ist? Friedfertig. Viele Leute sind jetzt so.»

«Das spür ich auch», sagte ich.

«Es war ein schrecklicher Sommer», sagte der Priester. Er war jetzt selbstsicherer als damals, als ich fortgegangen war. «Sie können sich nicht vorstellen, wie's gewesen ist. Vielleicht doch, weil Sie früher hier gewesen sind und wissen, wie es sein kann. Viele Leute haben diesen Sommer gemerkt, was Krieg ist. Offiziere, von denen ich glaubte, sie würden es nie wissen, wissen es jetzt.» «Und was wird werden?» Ich streichelte über die Decke. «Ich weiß es nicht, aber ich kann mir nicht denken, daß es lange so weitergehen wird.» «Was wird passieren?» «Man wird aufhören zu kämpfen.» «Wer?» «Beide Seiten.» «Hoffentlich», sagte ich. «Glauben Sie's nicht?»

«Ich glaube nicht, daß beide Seiten gleichzeitig aufhören werden.»

«Wahrscheinlich nicht. Das hieße zuviel erwarten. Aber wenn ich sehe, wie sich die Leute verändert haben, kann ich mir nicht vorstellen, daß es noch lange dauern wird.»

«Wer hat bei den Kämpfen in diesem Sommer gesiegt?»

«Niemand.»

«Die Österreicher haben gesiegt», sagte ich. «Sie haben die Eroberung des San Gabriele verhindert. Sie haben gewonnen. Die werden nicht aufhören.»

«Wenn sie sich so fühlen, wie wir uns fühlen, könnten sie doch aufhören. Sie haben dasselbe durchgemacht.»

«Niemand hört auf, wenn er gerade siegt.»

«Sie entmutigen mich.»

«Ich kann nur sagen, was ich denke.»

«Dann glauben Sie also, daß es weiter und weiter geht und nichts geschehen wird?»

«Ich weiß nicht. Ich glaube nur, daß die Österreicher nicht gerade aufhören werden, nachdem sie einen Sieg errungen haben. Niederlagen machen uns zu Christen.»

«Die Österreicher sind Christen - bis auf die Bosnier.»

«Ich meine nicht der Technik nach Christen. Ich meine wie unser Heiland.»

Er sagte nichts.

«Wir sind jetzt alle viel friedfertiger, weil wir besiegt worden sind. Wie wäre unser Heiland wohl gewesen, wenn ihm Petrus aus dem Garten herausgeholfen hätte?»

«Es wäre genauso gewesen.»

«Ich glaube nicht», sagte ich.

«Sie entmutigen mich», sagte er. «Ich glaube und bete, daß etwas geschehen möge. Ich fühle es sehr nahe.»

«Es kann schon etwas geschehen», sagte ich. «Aber es wird nur uns geschehen. Wenn sich die anderen ebenso fühlen wie wir, dann war's gut. Aber sie haben uns besiegt und fühlen sich dementsprechend anders.»

«Viele Soldaten haben immer so gedacht. Nicht erst weil sie besiegt sind.»

«Sie fühlten sich von Anfang an verloren. Sie fühlten sich verloren, als man sie von ihren Höfen wegholte und sie in die Armee steckte. Darum ist der Bauer voll Weisheit, weil er sich von Anfang an verloren fühlt.



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