In den Farben der Nacht by Heinrich Susanne

In den Farben der Nacht by Heinrich Susanne

Autor:Heinrich, Susanne [Heinrich, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832188696
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 2015-06-24T16:00:00+00:00


WENN DIE FLUGZEUGE KOMMEN, MÜSSEN WIR WINKEN

intro/outro

Als ich zu mir komme, habe ich das Gefühl, mich aus mir herauszuschälen. Ich fühle mich klebrig von innen. Es riecht verbrannt, und meine Schläfe pocht. Ich bin ausgelaufen, und da, wo mein Kopf war, ist nur ein schweres Tocken. Ich rolle mich nach links und presse mich gegen die Tür, bis sie aufspringt und ich auf die Wiese falle. Unter mir wächst das Gras in meinen Rücken, über mir taumeln kubistische Baumkronen. Es ist dunkel, von allen Seiten kommt Wind. Oriana, sage ich. Ein Qualmpilz und eine Geräuschlosigkeit, die so groß ist wie ein Stillstand. Ich strecke die Arme zu beiden Seiten aus und wische meine Hände im Gras ab. Von irgendwoher muss das Blut kommen.

Ich stehe auf und falle hin und stehe noch einmal auf, um durch den Graben zur Straße zu laufen. Die Straße schießt wie ein Filzstiftstrich ins Dunkel, und gegenüber, wo keine Bäume stehen, rollt sich ein helles Feld in die Ferne. Ich sage ein paar Dinge vor mich hin, um sicherzugehen, dass ich noch sprechen kann. Das Gehen fühlt sich an wie Wasserwaten. Der Weg zurück zum Auto. Ich lehne mich gegen die Seitentür und schließe kurz die Augen. Ich taste mich am Dach entlang zur Frontscheibe. Oriana, sage ich, und meine Stimme ist nur Luft. Da sind Orianas goldene Haare und das, was ihr Gesicht war. Die Scheibe ist zersprungen. Das Radio spielt noch. Curtis Mayfield: We’ve only just begun to live / white lace and promises. Ich lasse mich an der Motorhaube hinuntergleiten und bleibe im Gras liegen. Über mir reißt ein Flugzeug den Himmel auf, es blinkt und fliegt nach Westen. And when the evening comes we smile / so much of life ahead. Ich ziehe die Zigarettenschachtel aus meiner Hosentasche, sie ist leer.

rewind

Seba, sagt Oriana, es nervt mich, wenn du immer keine Meinung hast, einfach zu gar nichts. Aber das ist so, sage ich, wenn man schreibt, man bewegt sich dann immer in diesen Zwischenwelten. Du musst bereit sein, jede erdenkliche Meinung anzunehmen, sie wenigstens im Ansatz zu durchdringen. Jaja, sagt Oriana, du hast Angst, dich festzulegen, das ist alles, du willst immer in Bewegung bleiben.

Seit zwei Wochen schwitzen Oriana und ich unseren Winter aus. Vada ist klein und touristenverseucht. Wir wohnen in einem hölzernen Bungalow und essen jeden Abend Gnocchi. Oriana sitzt jetzt auf unserem Balkon und trinkt Gordon’s, Oriana wird schnell betrunken. Sie sieht aus wie eine marmorne Statue, wie sie da sitzt in ihrer weißen, empfindlichen Haut, mit ihrem lieblichen Puppengesicht und den zartgliedrigen Fingern. Seba, sagt Oriana, und sie genießt es, meinen Namen auszusprechen, die beste Gabe einer Frau ist, einen Mann abhängig zu machen. Nein, sage ich, noch viel schöner ist es, verschwenderisch zu lieben, zu verschlingen und verschlungen zu werden.

Orianas Dummheit kleidet sie wie Brokat, Orianas Dummheit ist so vollkommen, weil Oriana nichts von ihr weiß und darum so glücklich ist. Oriana ist wie ein blendendes, verziertes Gefäß ohne Boden. Durch Oriana gehen die Dinge hindurch, ohne Spuren zu hinterlassen.



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