Im zarten Glanz der Morgenroete by Pearse Lesley

Autor:Pearse, Lesley [Pearse, Lesley]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Roman
Herausgeber: Verlagsgruppe Luebbe GmbH Co KG
veröffentlicht: 2011-09-15T22:00:00+00:00

Als Mel nach Oaklands zurückkam, war sie zu angespannt, um schlafen zu können. Die Bäume knarrten in dem starken Wind, Regen gurgelte in einer Dachrinne, und von ihrem Bett aus konnte sie einen Gast weiter unten im Korridor schnarchen hören. Aber diese Geräusche störten sie nicht; sie beruhigten sie vielmehr: Sie war nicht ganz allein. Es war jedoch das schreckliche Gefühl der Schuld, das ihr den Schlaf raubte.

Wie sollte sie seinen Kindern oder den anderen Angestellten gegenübertreten, wenn er starb?

Der Gedanke quälte sie vier Stunden lang.

Um halb neun, als sie es nicht länger im Bett aushielt, ging sie in die Küche hinunter.

»Sie hätten nicht aufstehen sollen«, bemerkte Mrs. Downes tadelnd. »Wir kommen auch ohne Sie zurecht.«

»Ich konnte nicht schlafen. Gibt es etwas Neues?« Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich an den Küchentisch.

Antoine war frisch rasiert wie immer. Er stand scheinbar gelassen am Herd und briet Eier mit Schinken wie an jedem anderen Tag auch. Nicht einmal die Möglichkeit, dass Magnus sterben könnte, hinderte Mrs. Downes daran, jedes Messer und jede Gabel zu polieren, bevor sie sie auf die Tabletts für die Gäste legte, die im Bett frühstücken wollten.

Aber Mel wusste genau, wie sie sich fühlten. Sie hatten genauso große Angst wie sie selbst. Es war eine Frage des Stolzes, dass sie ihren gewohnten hohen Standard hielten, und es war auch eine Möglichkeit, mit der Furcht umzugehen.

»Nick hat vor ein paar Minuten angerufen«, antwortete Mrs. Downes, deren Unterlippe zitterte, weil sie gegen die Tränen ankämpfen musste. »Ich fürchte, es hat sich nichts an Magnus’ Zustand geändert, aber Nick kommt gleich kurz rüber, um zu duschen und zu frühstücken.«

Magnus war Joan Downes seit fünfzehn Jahren ein guter Freund gewesen, und wenn er starb, würde der Schlag sie mit der gleichen Wucht treffen, als wäre er ein Mitglied ihrer eigenen Familie. Aber Mels erschüttertes Gesicht machte Joan bewusst, dass sie selbst immer noch ihren Mann, ihre Kinder und ihre Enkelkinder hatte, zu denen sie heimkehren konnte, sollte es zum Schlimmsten kommen. Mel hatte sonst niemanden: Sie lebte und atmete für Oaklands. Magnus und das Hotel waren ihr Leben.

Mel sah wieder wie ein verlassenes Kind aus, geradeso wie damals, als sie nach Oaklands gekommen war. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, sich für die Arbeit zurechtzumachen, und ein dunkelblaues Kleid mit einem Spitzenkragen angezogen, aber ihr Gesicht war schneeweiß, und ihre Augen waren voller Schmerz.

»Nick muss ein gutes Gefühl haben, sonst käme er nicht her.« Mrs. Downes versuchte zu lächeln, während sie einige Nelken in jede der Vasen auf den Tabletts stellte. Sie wünschte, sie könnte diesen gequälten Ausdruck aus den Augen des jungen Mädchens vertreiben. »Und Magnus ist ein zäher alter Bursche, das wissen wir alle.«

Das Knirschen von Autoreifen auf der geschotterten Einfahrt hielt Mrs. Downes davon ab, Mel in die Arme zu schließen.

Mel war aufgesprungen. »Das ist Nick«, rief sie.

»Nun, das ist eine Erleichterung.« Mrs. Downes nahm zwei Frühstückstabletts von Antoine in Empfang, auf denen die Speisen mit Wärmedeckeln abgedeckt waren. »Ich bringe das hier nur schnell rüber ins blaue Zimmer.

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