Im Spiel der Spiegel. Roman by Carme Riera

Im Spiel der Spiegel. Roman by Carme Riera

Autor:Carme Riera [Riera, Carme]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105615478
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


4

Bis zu diesem Tag hatte Antonio Gallego fünf Jahre lang offensichtlich ein monotones und völlig anonymes Leben bei seiner Familie in Venusia geführt. Er hatte sich aus der Politik zurückgezogen und sich völlig enthalten, seinen Namen durch den Beweis seiner Unschuld zu rehabilitieren; er vermied sogar jeglichen Kontakt mit seinen ehemaligen Genossen aus der Zeit der Gründung der ersten Zelle der Partei an der Universität von Venusia, bevor er nach Calipso ging, um sein Studium der Humaniora abzuschließen. Ein heftiger Gegner der Luzonisten war er allerdings immer noch, obwohl seine politischen Vorstellungen – vielleicht durch den Einfluß der Familie – mit der Zeit moderater wurden.

Fast jeden Nachmittag nahm er mit seinem Vater an den konspirativen Sitzungen teil, die Doktor Gallego mit seinen Parteifreunden aus den Reihen der Radikalsozialisten im gemütlichen Halbdunkel und mit manch einem Schlückchen Kognak abzuhalten pflegte, wobei die kriegerische Inbrunst der Teilnehmer sich allem Anschein nicht so sehr gegen Luzón wie gegen die Zeit richtete, die totzuschlagen das Hauptziel dieser Zusammenkünfte zu sein schien, auch wenn betont wurde, das Regime der Unterdrückung müsse um jeden Preis beseitigt werden …

Nach Doktor Gallegos Tod brach er aber jeden Kontakt mit den alten Kameraden seines Vaters ab, deren Zusammenkünfte für ihn nur hinter den Rauchsäulen der Havannas bei den endlosen Sitzungen im – jetzt geschlossenen – Rauchzimmer seines Hauses vorstellbar waren. Mit vielen guten Worten, rhetorischem Nachdruck und einer gewissen Herablassung »schlug er das ehrenvolle Angebot ab, in die Reihen der radikalsozialistischen Partei einzutreten, um die verdienstvolle Aufgabe seines Vaters fortzuführen«, das ihm die Kommission der Lokalpolitiker angetragen hatte, die zum größten Teil doppelt so alt waren wie er. Nicht einmal das vom Generalsekretär persönlich überbrachte Versprechen, ihn als Kandidaten für das Parlament von Itàlica aufzustellen, sobald Luzón abgesetzt wäre, konnte ihn zu einer Meinungsänderung bewegen. Allerdings wußte er die Ehre des Besuchs des legendären dreimaligen Präsidentschaftskandidaten Gumersindo Fontán wohl zu schätzen, der allein aus dem Grund aus Calipso angereist war, um am Grab eines alten Freundes, des Arztes, ein Gebet zu sprechen und dessen Sohn einzuladen, für die Sache der Radikalen zu kämpfen, der sich seinerseits allerdings nicht die Mühe machte, auch nur eine Minute über den Vorschlag nachzudenken. Seine Argumentation bestand darin, daß die Verwaltung des Besitzes Trebujar, von dem der Unterhalt der Familie nun abhing, die angegriffene Gesundheit seiner Mutter und seine Übersetzungen ihm keine Zeit ließen.

Sogar in den Momenten größter kollektiver Euphorie, als der Zusammenbruch der Regierung Luzón unmittelbar bevorzustehen schien und die oppositionellen Kräfte den Sturz des Diktators ganz offen und mit viel Tamtam betrieben, Treffen, Versammlungen und Diskussionen veranstalteten, wollte er sich nicht daran beteiligen. Den Festlichkeiten, dem öffentlichen Getue und Aufheben, mit dem in Venusia, wie überall in Itàlica, Luzóns Sturz gefeiert wurde, blieb er ebenfalls fern. Unter dem Vorwand, daß der Tod ihres Gatten seine Mutter in eine furchtbare Depression gestürzt habe, blieb er an ihrer Seite, auf dem Gut Trebujar, wo die Familie ihre Ferien zu verbringen pflegte. Da sich der kritische Zustand seiner Mutter jedoch verschlimmerte, anstatt sich zu bessern,



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