Im Spiegel ferner Tage by Riordan Kate

Im Spiegel ferner Tage by Riordan Kate

Autor:Riordan, Kate [Riordan, Kate]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: 978-3-641-15857-6
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2015-12-13T16:00:00+00:00


Alice

Nachdem ich mich von Mr. Morton verabschiedet hatte und wieder allein war, ging ich überraschenderweise ein wenig widerwillig zurück hinunter ins Tal. Ich hoffte, dass Mrs. Jelphs schon zurück wäre. Aber Fiercombe Valley lag verlassen vor mir. Und auch im Haus schien seit meinem Aufbruch einige Stunden zuvor weder etwas berührt noch bewegt worden zu sein. Wenn Tom doch wieder da wäre, dachte ich unwillkürlich und schnaubte sogleich verächtlich angesichts meiner eigenen Naivität. Sehnsüchtig an Thomas Stanton zu denken war wohl kaum besser, als James nachzutrauern.

Ich spielte mit dem Gedanken, mich zunächst ein wenig hinzulegen, aber dann musste ich wieder an das Sommerhaus mit dem Tagebuch denken. Der Gedanke erfüllte mich mit neuem Tatendrang, und abermals zog es mich dorthin. Nachdem Hugh Morton mir die Fotos gezeigt hatte, kam es mir vor, als sei Elizabeth ein Stück näher gerückt und ihre Existenz in Fiercombe Valley greifbarer geworden.

Als ich den Raum in der oberen Etage betrat, sah noch alles genauso aus, wie ich es verlassen hatte. Wieder fragte ich mich, ob es jemanden gab, der davon wusste. Wenn ja, konnte es wohl nur jemand sein, der noch hier lebte. Ich nahm das kleine Büchlein und blätterte zurück, um noch einmal zu überfliegen, was ich bereits gelesen hatte. Die folgenden Seiten enthielten verschiedene Notizen und eine unvollständige Zeichnung, die den Ausblick aus dem schmalen Fenster hinter mir zeigte. Ich blätterte weiter. Beim nächsten längeren Eintrag hielt ich inne. Die Passage war mit Tinte geschrieben.

An einem einzigen Tag hat sich die Jahreszeit geändert, und ich sehe wieder klarer. Nach Wochen ermüdenden Wetters, in denen man dagegen ankämpfen musste, nicht einfach im Bett liegen zu bleiben und den ganzen Tag zu verschlafen, habe ich das Gefühl, wieder mehr ich selbst zu sein. Draußen riecht es nach verbranntem Holz und vermoderndem Laub, und in dem kleinen Raum hier oben kommt es mir kälter vor als jemals zuvor.

Edward ist gestern Abend zu mir gekommen. Es war das erste Mal seit Wochen. Nach wie vor verspürte ich eine unerklärliche Unruhe. Er wirkte entschlossen wie immer, aber etwas in seinem Blick ließ vermuten, dass auch er gelitten hatte, und das machte mich verständnisvoller ihm gegenüber. Wenn er doch nur öfter zuließe, derartige Schwächen zu zeigen! Vielleicht würde es mir dann leichter fallen, ihm die sanfte, ergebene Ehefrau zu sein, die er so gern hätte. Es war schnell vorbei, aber danach war er umso freundlicher zu mir, und wir konnten sogar gemeinsam über etwas lachen, das er eins der Dienstmädchen hatte sagen hören.

Nachdem er in seine Räumlichkeiten zurückgekehrt war, lag ich wach, bis die Wasserfontäne abgeschaltet wurde und die letzten der Bediensteten zu Bett gingen. Es war vollkommen still in Fiercombe Valley. Ich zog die Vorhänge auf, die so lang und schwer sind, dass sie kein bisschen Licht durchscheinen lassen. Das Mondlicht war hell und kalt, erfrischend in der schwülen Luft, die noch aufgeheizt war von den letzten Ausläufern des sommerlichen Wetters. Wenn es mir gelänge, absolute Ruhe zu bewahren, nicht allein körperlich, sondern auch geistig, würde es mir möglicherweise leichter fallen, wieder ein Kind zu empfangen.



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