Im Herzen des Imperiums by Arkady Martine

Autor:Arkady Martine
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Science Fiction
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2019-11-11T00:00:00+00:00

Zwischenspiel

Eine Imago-Maschine ist klein, höchstens so lang wie das kleinste Glied eines menschlichen Daumens. Selbst auf einer Station mit dreißigtausend Bewohnern und zehntausend erhaltenen Imago-Reihen nimmt das Lager für alle Maschinen nur einen winzigen sterilen Raum ein. Er befindet sich ganz in der Nähe des schlagenden Herzens von Lsel und ist so gut wie möglich gegen unberechenbaren Weltraumschrott, kosmische Strahlung und Druckverlust abgeschirmt. Es ist, wie Aknel Amnardbat gern sagt, der sicherste Ort auf der Station. Der Heimathafen aller Stationsbewohner. Hier finden schließlich alle ihre letzte Ruhestatt, bleiben eine Zeitlang dort und kehren in neuer Form zurück.

Amnardbat steht mitten in dem Raum. Bis auf den kleinen Fleck, auf dem sie sich befindet, und den Weg von der Tür bis zu dieser Stelle sind alle Flächen mit versiegelten und beschrifteten Fächern belegt: Zahlen. Manchmal auch Namen auf den Behältern der ältesten oder wichtigsten Imago-Reihen. Würde sie sich über die Schulter umsehen, dann würde sie ein Fach mit der Aufschrift Kulturerbe sehen, aus dem ihre eigene Imago stammt. Dorthin wird die Imago, die aus ihr entstehen wird, zurückkehren.

Früher empfand sie diesen Raum als beruhigend. So friedlich, eine wundervolle Erinnerung daran, dass ganz Lsel unter ihrer Obhut stand, die Überlieferung der Vergangenheit und der Weg in die Zukunft. Aknel Amnardbat hält sich für eine Archivarin. Auf einem grünen Planeten wäre sie eine Gärtnerin gewesen. Es ist ihre Aufgabe, eine Pflanze auf die andere, ein Bewusstsein auf das andere zu pfropfen, den Schatz zu hüten und zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass kein Teil von Lsel verloren geht.

Früher fand sie diesen Raum beruhigend.

Vor gar nicht so langer Zeit – sechs Wochen nach der teixcalaanischen Zeitrechnung, die man schon vor Amnardbats Geburt auf der Station eingeführt hatte, und gerade mit solchen kleinen Schritten ging eine Kultur unter; ihr war nie bewusst geworden, dass eine »Woche« absolut nichts mit der Rotation von Lsel zu tun hatte, während die eine oder andere Seite der Sonne zugewandt war – hatte sie schon einmal hier gestanden und dank der Zugangsberechtigung, die sie als Ratsherrin für das Kulturerbe besaß, einen der kleinen Behälter veranlasst, seinen Inhalt in ihre wartenden Hände zu entladen.

Direkt zuvor hatte sie ihre Fingernägel mit einem Lösungsmittel gereinigt. Sie hatte sie gereinigt und untypisch spitz gefeilt.

Die Maschine in ihrer Hand stammte aus einem Behälter mit der Aufschrift P-V (T.2). In der Klassifizierung der Imago-Maschinen war dies das Kürzel für Politische Verhandlungen, eine spezielle Fähigkeit. In der Klammer stand das Kürzel für Teixcalaan, also für die Imago-Reihe von Verhandlungsführern, die vor allem im Umgang mit dem Imperium eingesetzt wurden. Die 2 bedeutete, dass es sich um eine Reihe mit bislang zwei Vertretern handelte. Die Imago-Maschine, die Yskandr Aghavn aufgezeichnet hatte, war fünfzehn Jahre älter, als sie es hätte sein sollen.

Amnardbat hatte sie vorsichtig in der Hand gehalten, hochgehoben und im schwachen Licht gedreht, sodass Metall und Ceramide schimmerten, die zerbrechlichen Kontakte, die das Gerät mit der Bucht im Stammhirn des Wirts verbinden würden. So grimmig wie noch nie dachte sie: Du bist so hinterhältig wie ein Brandstifter oder eine Imago-Reihe, die die Hülle der Station mit einer Bombe zerstören würde.

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