Im Dickicht des Lebens by Dieter Wellershoff

Im Dickicht des Lebens by Dieter Wellershoff

Autor:Dieter Wellershoff
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-31513-4
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-09-22T16:00:00+00:00


»Wände umschließen mich

werfen meine Gedanken,

unbrauchbar geworden,

auf mich zurück.«

Er schaute sie an, als wollte er prüfen, was der Text ihr bedeutete und was er über sie sagte. Wieder empfand sie seinen Blick als schwer und inständig und irgendwie umfassend. Schließlich sagte er: »Dieser Text hat mich immer wieder beschäftigt, seit ich ihn zum ersten Mal gelesen habe. Er verschweigt, was da vor sich geht, so genau er es andererseits sagt. Ich dachte: Das ist wie Ersticken. Sie schreibt gegen das Ersticken an.«

Da er die Stimme nicht sinken ließ und sie unverwandt anschaute, hörten sich seine Worte wie eine an sie gerichtete offene Frage an, auf die sie ihm eine Antwort schuldete. Aber sie sah ihn nicht an, als sie möglichst beiläufig antwortete: »Wie es mir selbst geht, weiß ich nicht so genau. Ich bin viel undeutlicher als meine Texte.«

»So muß es wohl sein«, antwortete er. »Das macht Sie ja zum Geheimnis. Andererseits aber sind Sie – wie soll ich es ausdrücken? – Ich habe es Ihnen, glaube ich, schon gesagt, als wir telefonierten: Es ist nicht einfach, Ihre poetischen Texte und Ihre poetische Erscheinung in Einklang zu bringen.«

»Hat er das nicht reizend formuliert?« sagte Sabine, die in diesem Moment mit dem in die Vase eingestellten Rosenstrauß hereingekommen war und ihn auf den Arbeitstisch stellte. Dankbar für diese Unterbrechung, sagte Bea: »Ja, das finde ich auch«, und lächelte Bühl so unbefangen und harmlos an, als wären sie sich einig, daß alles, was sie hier redeten, nur der übliche Flirt war. Bühl lächelte nur matt zurück. Aber dann sagte er überraschend: »Machen wir doch die beiden Titel Ihrer Gedichtbände ›Die Wände‹ und ›Das Verschwinden‹ zu unserer Richtschnur und verschwinden aus diesen vier Wänden und gehen irgendwo italienisch essen.« Mit einer einladenden Geste öffnete er beide Hände und sagte: »Wenn die Damen einverstanden sind?«



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