Im alten Eisen by Raabe Wilhelm

Im alten Eisen by Raabe Wilhelm

Autor:Raabe, Wilhelm
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


Dreizehntes Kapitel

Nun saßen sie nebeneinander im Wagen und rasselten durch die Straßen eine nicht kleine Strecke Weges. Uhusen aufrecht, die verstümmelte Faust auf der Satyrfratze seines getreuen Stabes; Albin Brokenkorb von Zeit zu Zeit die Stirn mit dem feinen, wohlduftenden Taschentuch betupfend.

Der Hofrat begann die Unterredung: »Ich wehre mich nicht länger! – Wie ich hierzu komme, weiß ich nicht; aber was du mit mir vorhast, wohin wir fahren, das will ich doch jetzt wissen. Ich bitte dich also dringend, diesem – diesem – Scherze ein Ende zu machen, bester Freund. Wir sind allmählich doch wohl ein wenig zu alt für dergleichen Komödienfahrten geworden.«

Der gute Komödiant, Herr Schmied aus Jüterbog, wendete sich zum erstenmal mit dem grimmigsten Ernst auch auf dem Gesichte zu dem Lebensgenossen und sagte: »Hm, du zitiertest vorhin das Neue Testament, wenn auch vielleicht nicht völlig nach der Meinung des Herrn: Lasset die Toten ihre Toten begraben. Weißt du, Albin – es wird dir auch das vielleicht sonderbar erscheinen, ich habe mich die letzten Jahre viel mit dem sonderbaren Buche abgegeben. Unsereiner kommt beim Raketendrehen und Feuerräderabbrennen und grade häufig im allerschönsten Brillantfeuer auf allerhand sonderbare Liebhabereien. Mit den drei Synoptikern habe ich mich nicht ohne Interesse beschäftigt Matthäus, Markus und Lukas oder Lukanus nennen sich die Graubärte ja wohl? –, und ich versichere dich, wenn man zwischen ihren Zeilen liest, kommt man auf ganz sonderbare Ideen. Des Menschen Sohn, der da durch die Blätter geht, nimmt einen mit sich auf seine Wege, man mag wollen oder nicht! Ich habe dir bereits gesagt, daß ich lese, was du drucken läßt. – Du gehst da nicht selten auch um den Mann aus Galiläa – herum und verwendest das, was die drei Knasterbärte vom Hörensagen über ihn berichten, zweckdienlich genug; deine Damen müssen entzückt darüber sein. Sie haben viel Sonne im Orient. Die Blumen sind dort ja wohl das ganze Jahr durch köstlicher gekleidet als Salomo in seiner Pracht. Palmen wachsen da, während wir uns mit der deutschen Eiche, und noch dazu die längste Zeit im Jahr kahl, zu begnügen haben. Aber damit du mich nicht länger stumm fragst, was dieses alles soll, so sage ich nur, daß mir der Mann aus dem sonnigen Nazara am deutlichsten in die Erscheinung tritt, wenn hierzulande die Tage kurz und die Nächte lang sind, die Dachrinnen gießen oder der Schnee fällt. Ich gehe dann gern die deutschen Regen- und Rauhfrosthalden entlang oder – noch lieber – durch die Rinnsteine oder unter den Dachrinnen unserer Städte und träume und überdenke Undruckbares. Ich armer Krüppel, Teufel, Vagabund verkehre dann am liebsten mit meinesgleichen, meiner Bekanntschaft und Verwandtschaft und brauche nie weit zu laufen, ohne den wackelnden Tisch zu finden, unter dem man seine Beine mit der übrigen Lumpengenossenschaft behaglich ausstrecken darf. Man trifft vornehme Leute an dergleichen Tafeln, armer Albin, und diesmal habe ich außergewöhnlich Glück gehabt, Albin. Du wolltest mich an deinem Mittagstisch in die interessanteste Gesellschaft dieser winterlichen Welt einführen; ich aber bin beauftragt, dich zu der Mutter Cruse zu führen. Sie schickte mich mit dem Degen des Leutnants Hegewisch.



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