Illegal by Annas Max

Illegal by Annas Max

Autor:Annas, Max [Annas, Max]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644001053
Herausgeber: Rowohlt E-Book


39

Eine halbe Stunde später stand Kodjo in seiner Wohnung. Bierflasche in der Hand. Er lehnte an der Küchenwand. Andere hatten mit 31 Jahren mehr Besitz, dachte er. Ihm gehörten nicht einmal die Möbel hier. Spartanisch eingerichtete Küche, die er selten nutzte. Ein Schlafzimmer, dessen Kleiderschrank fast leer war. Und ein Wohnzimmer, in dem er fand, was ihm geblieben war. Ein Armvoll Bücher, eine Kiste CDs und ein Laptop.

Andere hatten mit 31 Familie. Mit dem Zählen seiner Neffen und Nichten kam er kaum nach. Sein Bruder William hatte schon vier Kinder. Dabei war er zwei Jahre jünger als er. Und er besaß nicht ein einziges Haus, sondern gleich zwei. «Das hast du nun von deinem Scheiß-Europa», hatte er bei ihrem letzten Telefonat gesagt. «Komm zurück, für einen mit deinen Qualifikationen hab ich immer etwas zu tun.»

«Komm zurück.» Der Satz hatte nachgeklungen wie ein höhnischer Spott, den man nicht mehr loswird. Was sollte er in Ghana? Nach fast zehn Jahren in Deutschland. Sein Deutsch war beinah so gut wie sein Englisch. Und Ewe oder eine der anderen ghanaischen Sprachen hatte er sowieso kaum gesprochen, seit er hier angekommen war. Mit Huff redete er manchmal in Twi.

Kodjo wühlte sich mit zwei Fingern durch die Kiste mit den CDs, die er beim Auszug aus Sandras Wohnung mitgenommen hatte. Fand Oasis, Morning Glory. Sie hatten sich CDs geschenkt, damals. Die meisten hatte er liegengelassen. Nur eingepackt, was zwei Hände tragen konnten. Er schob die CD in den Laptop und schloss die kleinen Lautsprecher an. Drehte die Lautstärke auf, als ihm der erste Song zu leise erschien.

«White Man’s Music» hatte Huff das genannt. Einmal hatten sie über Musik geredet in seinem Laden. Alle hörten sie Hip Hop oder R ’n’ B oder Hiplife oder irgendetwas aus dem Kongo. Denen waren fast die Bierflaschen aus den Händen gefallen, als er gesagt hatte, dass er Rock hörte. «Dazu kann man doch nicht einmal tanzen», hatte Issa gesagt. Irgendwer war aufgestanden und hatte getanzt, wie es die Weißen tun. Am Ende war er über die eigenen Füße gefallen, und alle hatten gelacht. Kodjo auch. Sie konnten ihn mal. Er mochte so etwas.

Andere hatten mit 31 vor allem einen Job. Einen richtigen. Kodjo dachte an seinen Dad und daran, wie er geschaut hatte, als er ihm offenbarte, dass er Geschichte studieren würde. Die Augen hatten gesprochen, kein Wort hatte Dad gesagt. In einer Familie, in der jeder danach trachtete, die Geschäfte des Vaters fortzuführen und Geld zu machen, sagt ihm der Älteste, dass er Geschichte studiert. Kodjo stoppte die CD. Er mochte Oasis, aber das alles erinnerte ihn zu sehr an die Vergangenheit.

Mit 31 hatten die meisten Leute eine Zukunft. Und er? Wenn ihn die Polizei zufällig irgendwo aufgriff, würde er die nahe Zukunft in einem Abschiebegefängnis verbringen. Und dann … Die ghanaische Botschaft kooperierte mit den deutschen Behörden. Wenn er also erklärte, aus Ghana zu kommen, würden sie ihn dorthin zurückfliegen. Wenn er nichts sagte, würde er in einem Flieger landen, der ihn vielleicht in den Senegal brachte. Oder nach Kamerun.



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