Ideologie und Pragmatik by Jenny Baumann

Ideologie und Pragmatik by Jenny Baumann

Autor:Jenny Baumann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2023-09-29T08:27:51.425000+00:00


5.2

Wirtschafts- und Handelsbeziehungen

Während das geschilderte Interesse in erster Linie dem „Kulturland“ DDR galt, legte Spanien auf staatlicher Ebene von Beginn an ein „Schwergewicht auf die Handelsverbindungen“, wie Botschafter Germán de Caso Ridaura bei seinem Antrittsbesuch gegenüber dem DDR-Volkskammerpräsidenten Horst Sindermann betonte. 598 Dies lag u. a. darin begründet, dass sich das postfranquistische Spanien analog zur Außenpolitik auch auf dem Gebiet der Wirtschaft mit der Notwendigkeit konfrontiert sah, nach fast vierzigjähriger Franco-Diktatur einige Versäumnisse aufzuholen. Zum einen bemühte sich die Regierung Suárez darum, „die Industrialisierung verstärkt weiterzuführen“, 599 zum anderen strebte sie mit Blick auf eine Integration in die EWG an, in den Handelsbeziehungen zum Ostblock „ein den anderen westeuropäischen Staaten ebenbürtiger Partner“ zu sein. 600 Doch obwohl die Handelsbüros in Madrid und Ost-Berlin ihre Tätigkeit während des Beziehungsabbruchs nicht eingestellt hatten und die bilateralen Wirtschaftskontakte 1977 nicht gänzlich neu geknüpft werden mussten, machte die DDR-Botschaft nach ihrer Wiedereröffnung auch auf diesem Gebiet Schwierigkeiten aus. Botschafter Korth berichtete von einer mangelnden Entscheidungsfähigkeit der „wirtschaftsleitenden Institutionen“ in Spanien, da die Regierung Suárez „eine Art Bestandsaufnahme“ ihrer Außenwirtschaftsbeziehungen vornehme und sich daher zunächst „mit Grundfragen des künftigen Profils“ der Außenhandelspolitik beschäftige; dies wirke sich negativ „auf die Realisierung angebahnter Geschäfte und abgeschlossener Verträge“ aus. 601 Tatsächlich blieb eine „Komplexdelegation“, die das MfA im Oktober 1977 nach Madrid entsandte, um im spanischen Handelsministerium ein langfristiges Handelsabkommen abzuschließen, zunächst erfolglos. 602 Das MAE hatte diesbezüglich deutlich an Botschafter de Caso Ridaura kommuniziert, dass man mit den ostdeutschen Vertretern noch „keine konkreten Verhandlungen über ein etwaiges neues Handelsabkommen“ zu führen gedenke. 603

Daneben äußerte Korth nach Gesprächen, die er anlässlich seiner Akkreditierung mit König Juan Carlos geführt hatte, die Sorge, dass die spanischen „Erwartungen bezüglich des Nutzens einer Zusammenarbeit mit der DDR, insbesondere auf ökonomischem Gebiet, […] möglicherweise von uns nicht so erfüllt werden können“. 604 Er begründete dies mit einer ungewöhnlich deutlichen Kritik an der Arbeit des Außen- sowie Außenhandelsministeriums in Ost-Berlin, die er in einem ausführlichen Brief an MfAA-Staatssekretär Herbert Krolikowski im August 1978 darlegte. Als „einen der wesentlichen Mängel“ machte er das Fehlen „einer handelspolitischen Konzeption für die außenwirtschaftliche Zusammenarbeit mit Spanien“ aus und kritisierte als „unbefriedigend, […] dass das Vertreternetz weder quantitativ noch qualitativ den gewachsenen Anforderungen entspricht“ sowie „ernsthafte Mängel in der Warenbereitstellung sowie in der Qualität gelieferter Erzeugnisse“ nach Spanien. 605 Die Arbeit der Botschaft vor Ort werde seiner Ansicht nach erschwert durch „Mängel und Schwächen […] in der Anleitung und Zusammenarbeit mit der Zentrale“, von der er forderte, „auf Fragen und Hinweise der AV [Auslandsvertretung] schneller und konstruktiv zu reagieren“ und Aufgabenstellungen an die Botschaft sowie Absichten gegenüber spanischen Gesprächspartnern und Konzernen „sorgfältiger und konkreter zu formulieren.“ 606 Hemmend für die Handelsbeziehungen waren laut Korth außerdem starre Planauflagen, wodurch auf Gegebenheiten vor Ort und Bedürfnisse der spanischen Partner entweder nicht eingegangen werden könne oder Diskrepanzen zwischen den Planauflagen und den Vertragsbindungen entstünden. So seien beim Export im Jahr 1978 die Vertragsbindungen gegenüber Spanien zum Halbjahr bereits wesentlich höher gewesen als die Vorgaben des Staatsplans. 607 An dieser Inflexibilität der DDR-Außenhandelspolitik scheiterten



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