Hoffnung auf Freundschaft by Michael Grewe Inez Meyer

Autor:Michael Grewe, Inez Meyer
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: NONBOOK/Ratgeber/Natur/Hobbytierhaltung
Herausgeber: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
veröffentlicht: 2012-06-10T04:00:00+00:00

FRUSTRATIONSTOLERANZ – MUSS DAS SEIN?

Frustrationstoleranz – warum ist sie so wichtig? Frustration – das hört sich ungut an, so etwas soll mein kleiner Plüschball nicht lernen müssen! Er soll glücklich und unbeschwert aufwachsen, es soll ihm gut gehen! Ist das überhaupt gewaltfrei? Macht das meinem Welpen Spaß? Eine ganze Reihe von Fragen. Die Wichtigste zuerst: ja, Frustration ist wichtig. Gewaltfrei ist sie auch. Nur Spaß – also Spaß direkt macht sie nicht … Und das aus gutem Grund.

Können Sie sich an Ihren ersten Schultag erinnern? Es gab eine große Tüte, auf die Sie lange gewartet hatten, und dann – ja dann mussten Sie sitzen! Die Stühle waren bequem, dennoch war Sitzen gar nicht so einfach. Trotzdem haben es alle irgendwie geschafft, eine oder zwei Stunden lang sitzen zu bleiben und dem Unterricht zu folgen. Heutzutage sind eine nicht geringe Anzahl der neu eingeschulten Kinder nicht mehr in der Lage zu sitzen. Sind sie hyperaktiv? Sollten sie einem Kinderpsychiater vorgestellt und medikamentös eingestellt werden? Oder ist die Ursache vielleicht ganz einfach die, dass sie Sitzen niemals wirklich gelernt haben?

Wenn ich nie sitzen bleiben musste, obwohl ich aufstehen wollte, werde ich immer nur dann sitzen, wenn ich, aus welchen Gründen auch immer, sitzen gerade gut finde. Zum Beispiel solange ich esse, genauer gesagt, solange es mir schmeckt. Wenn ich aber schon als Kind warten musste, bis meine Geschwister oder gar die ganze Familie mit dem Essen fertig waren, ehe ich aufstehen durfte, habe ich gelernt, auch dann sitzen zu können, wenn mir sitzen so richtig stinkt. Wie endlos lange sich so ein Essen hinzieht! Wie langweilig es doch ist! Und was für eine beklagenswerte Zeitverschwendung! Während dieser Zeit hätte man mit den Nachbarskindern vor Einbruch der Dunkelheit noch spielen oder im Kinderzimmer die Wände anmalen können. Aber manchmal sind Erwachsene wirklich nur doof und verlangen, dass man blöd am Tisch herumsitzt, anstatt etwas Vernünftiges zu tun!

Blöd am Tisch herumsitzen? Nichts Vernünftiges tun? Zeitverschwendung? Was Kinder hier lernen, ist Frustrationstoleranz, also eine frustrierende Situation aushalten zu können. Mehr noch: sie gelassen aushalten zu können. Und noch mehr: sie nicht nur auszuhalten, sondern sie einfach hinzunehmen. Was ursprünglich eine frustrierende Situation war, wird allmählich Normalität. Normalität aber belastet nicht, Normalität begegnet man gelassen und unaufgeregt.

Braucht man das denn überhaupt? Das braucht man doch gar nicht als Hund! Doch, das brauchen alle sozialen Lebewesen, sonst sieht es mit dem Zusammenleben schlecht aus. Später, wenn der kleine Rüde kein Welpe mehr ist, sondern ein erwachsener Hund, wollen Sie mit ihm ganz entspannt und cool an einem anderen Rüden vorbeigehen können, und zwar auch dann, wenn der Gehweg sehr schmal ist. Der andere soll Ihren Hund nicht aus dem Konzept bringen, selbst dann nicht, wenn er wütend in der Leine hängt, seinen Besitzer hinter sich herzieht und keinen Meter mehr von Ihnen entfernt ist. Ihr Rüde, auch kein Kind von Traurigkeit, würde sich den blöden Fatzke am liebsten mal kurz vorknöpfen und ihm die Meinung blasen – doch Sie verlangen von ihm, dass er es nicht tut.

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