Der Tierarzt by James Herriot

Der Tierarzt by James Herriot

Autor:James Herriot
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Kapitel 15

Ich war wieder in Granville Bennetts Klinik und stand in dem gekachelten Operationssaal mit der großen Lampe, deren grelles Licht den gesenkten Kopf meines Kollegen, die Pflegerinnen, die bereitliegenden Instrumente und das kleine Tier beleuchtete, das auf dem Tisch lag.

Bis zu diesem Nachmittag hatte ich nicht geahnt, daß mir ein weiterer Besuch in Harlington bevorstand: bis die Türglocke klingelte, nachdem ich gerade meinen letzten Schluck Tee ausgetrunken hatte, und ich durch den Korridor ging, die Tür öffnete und Oberst Bosworth mit einem Katzenkorb in der Hand draußen stehen sah.

«Darf ich Sie einen Augenblick stören, Mr. Herriot?» fragte er.

Seine Stimme klang anders als sonst, und ich blickte fragend zu ihm auf. Die meisten Menschen mußten zu Oberst Bosworth aufblicken, denn er war fast ein Meter neunzig groß, ein schlanker, gutaussehender Mann mit den energischen Gesichtszügen eines Soldaten, die zu den Auszeichnungen paßten, die er aus dem Krieg mitgebracht hatte. Ich sah ihn häufig, nicht nur, wenn er in die Praxis kam, sondern draußen in der freien Natur, wenn er auf einem großen Jagdpferd, von zwei Cairn-Terriern gefolgt, über die stillen Landwege in der Umgebung von Darrowby ritt. Er hatte etwas Furchteinflößendes an sich, war aber ungemein höflich und von großer Sanftmut, vor allem seinen Tieren gegenüber.

«Sie stören mich nicht», erwiderte ich. «Bitte, kommen Sie herein.»

Im Wartezimmer hielt er mir den Korb hin. Er machte ein trauriges Gesicht, und man sah ihm an, daß er bedrückt war.

«Die kleine Maudie», sagte er.

«Maudie . . . Ihre kleine schwarze Katze?» Ich kannte das Tier, das immer zärtlich um die Beine seines Herrn strich, ihm auf den Schoß sprang und beharrlich mit den Terriern um seine Aufmerksamkeit wetteiferte.

«Was hat sie? Ist sie krank?»

«Nein . . . nein . . .» Er schluckte und fuhr leise fort: «Sie hat einen Unfall gehabt.»

«Was für einen Unfall?»

«Sie ist von einem Auto angefahren worden. Sonst geht sie nie bis auf die Straße, sondern bleibt in der Nähe des Hauses, aber heute nachmittag ist sie aus irgendeinem Grund hinausgelaufen.»

Ich nahm ihm den Korb ab. «Ist ein Rad richtig über sie hinweggefahren ? »

«Nein, das glaube ich nicht, denn sie ist hinterher allein ins Haus zurückgelaufen.»

«Das klingt ja ganz ermutigend», sagte ich. «Dann ist es vielleicht nicht allzu schlimm.»

Der Oberst schwieg einen Augenblick. «Ich wünschte, Sie hätten recht, aber es ist leider ziemlich grauenvoll. Das Gesicht ist verletzt. Der Wagen hat sie offenbar am Kopf gestreift, und ich . . . ich weiß nicht, ob sie das überstehen wird.»

«Oh . . . das tut mir leid. Aber kommen Sie, wir gehen ins Sprechzimmer, damit ich sie mir ansehen kann.»

Er schüttelte den Kopf. «Nein, wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich lieber hier bleiben. Aber eins darf ich noch sagen.» Er legte die Hand auf den Korb. «Wenn Sie glauben, daß es hoffnungslos ist, dann schläfern Sie sie bitte sofort ein. Ich will nicht, daß sie unnötig leidet.»

Ich sah ihn einen Augenblick verständnislos an, dann eilte ich ins Sprechzimmer. Als ich den Deckel öffnete, sah ich die kleine schwarze Gestalt mit dem glänzenden Fell im Halbdunkel kauern.



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