Hitlers Zweiter Putsch by Kurt Bauer
Autor:Kurt Bauer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Residenz Verlag
veröffentlicht: 2014-01-24T05:00:00+00:00
ITALIEN
Seit dem »Marsch auf Rom« im Oktober 1922 hatte Hitler ein politisches Idol: Benito Mussolini. Von diesem Zeitpunkt an ließ er sich als der »deutsche Mussolini« vermarkten und fantasierte von einem »Marsch auf Berlin«.32 Hitler glaubte, im italienischen Faschismus den idealen Partner für seine außenpolitischen Ambitionen gefunden zu haben. Mussolini dagegen waren die Sympathiebekundungen der Nazis eher suspekt. Allerdings wünschte auch er sich einen starken Verbündeten zur Verwirklichung seiner imperialen Träume, denen stets und überall Frankreich im Weg stand. Aus diesem Grund setzte Mussolini vorerst auf die Deutschnationalen rund um den »Stahlhelm« und ab Ende 1931 nolens volens auf die NSDAP und Hitler. Zu einer persönlichen Begegnung der beiden kam es freilich vorerst nicht.33
Ein Streitpunkt seit jeher war Österreich. Für die italienische Politik galt der Kleinstaat als Brückenkopf in den Donauraum und zugleich als Bollwerk gegen Deutschland. Durch den Erhalt der österreichischen Unabhängigkeit sollte die gefürchtete deutsche Hegemonie im zentraleuropäischen Raum verhindert werden. Mussolini sah das nicht anders als seine demokratischen Vorgänger. Seit Ende der 1920er Jahre versuchte er, auf die österreichische Innenpolitik im faschistischen Sinn Einfluss zu nehmen. Mit beträchtlichen finanziellen Mitteln förderte er die Heimwehrbewegung und ihre putschistischen Bestrebungen (»Marsch auf Wien«). Zu dieser Zeit gelang es dem Heimwehrführer Ernst Rüdiger Starhemberg, einem einstigen Freikorpskämpfer und frühen Gefolgsmann Hitlers, Mussolinis Gunst zu erlangen. Aber der »Duce« musste schließlich erkennen, dass die Heimwehren viel zu schwach und Starhemberg persönlich einfach nicht reif war, den Diktator zu geben.
Engelbert Dollfuß, seit Mai 1932 österreichischer Kanzler, verhielt sich vorerst abwartend und distanziert gegenüber Mussolini. Ab Ende des Jahres kam es, gefördert durch Ungarn, zu einer vorsichtigen Annäherung. Und in der ersten Jahreshälfte 1933 geriet Dollfuß, der in der Zwickmühle zwischen Sozialdemokratie und Nationalsozialismus einen autoritären Kurs einschlug, immer stärker in Mussolinis Fahrwasser. Im Juni 1933 wurde die NSDAP in Österreich verboten. Ab dieser Zeit nahm der »Duce« massiv Einfluss auf die Vorgänge in Österreich und drängte Dollfuß in Richtung offener Diktatur. In dieser Phase waren es vor allem die immer brutaler werdenden Terroraktionen der unverkennbar von Deutschland aus gesteuerten illegalen österreichischen Nationalsozialisten, die das Verhältnis zwischen Mussolini und Hitler nachhaltig trübten.34
Den Kern seiner »eigentlichen Sorge« in der Österreich-Frage offenbarte Mussolini in einer Sitzung des Faschistischen Großrates im Dezember 1933: Sollte das Dollfuß-Regime fallen, stünde Deutschland der Weg nach Südosten offen und Italien könnte vom Balkan verdrängt werden.35 Letztlich glaubte Mussolini nicht daran, Hitler auf Dauer von Österreich fernhalten zu können. Allerdings wolle man, mutmaßte der deutsche Botschafter in Rom, Ulrich von Hassell, den Anschluss Österreichs an Deutschland so lange als möglich hinausschieben, um zuvor »Vorsorge gegen die gefürchtete übermächtige deutsche Expansion nach Südosten« treffen zu können.36
Mussolinis Außenminister (formal: Unterstaatssekretär des Äußeren) war zu dieser Zeit Fulvio Suvich, ein Triestiner, der als Bürger der österreichisch-ungarischen Monarchie in Wien und Graz Jus studiert, freilich später am Isonzo für Italien gegen Österreich gekämpft hatte. Dieser Suvich war zweifellos ein italienischer Nationalist und Faschist. Aber er war auch ein entschiedener Befürworter österreichischer Unabhängigkeit.
Im Grunde kann man in der italienischen Außenpolitik jener Jahre von einer Frontstellung zwischen
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