Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln by Peters Christoph

Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln by Peters Christoph

Autor:Peters, Christoph [Peters, Christoph]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-16T16:00:00+00:00


10.

»Ich wollte mich ja noch um das Unkraut kümmern«, hatte Ludwig Brüker Anfang März gesagt. »Da ist jetzt wieder eine ganze Reihe von Grundstücken, wo wir etwas machen müssen. Deine paar Stauden sind im Grunde kaum der Rede wert. Ich sammele nur immer, bis es sich lohnt, daß Ingvar aus Malmö herunterkommt. Wobei – so weit ist es eigentlich gar nicht, vier Stunden mit dem Wagen. Jedenfalls deshalb hat es länger gedauert.«

»Das macht nichts«, hatte Ernst geantwortet. »Vor zwei Wochen hätten wir hier noch gar nicht sitzen können, da gab es keinen Stuhl und keine Tasse.« –

Im Februar, nachdem alle Kredite und Querfinanzierungen geregelt, die Fragen hinsichtlich der Baugenehmigung vorläufig geklärt waren, hatte Ernst den Kaufvertrag für das Pastorat unterzeichnet und gleich darauf mit den dringendsten Renovierungs- und Umbauarbeiten begonnen. Seine gesamte Habe, die er teilweise im Berliner Elternhaus, teilweise im Keller seiner Südschwarzwälder Vermieterin gelagert hatte, war nach Rensen transportiert worden, so daß sich inzwischen eine Grundausstattung von Dingen des täglichen Gebrauchs in den Schränken fand. Handwerker gingen ein und aus, da Fenster erneuert, Wände gestrichen, Dielen abgeschliffen werden mußten. Das Dach hatte undichte Stellen, und die Heizung entsprach nicht den Abgasnormen. Hauptsächlich war Ernst jedoch mit der Vorbereitung des Ofenbaus beschäftigt, besprach sich mit örtlichen Maurern, Zimmerleuten, Baggerführern, fuhr in die Ziegelbrennerei, ins Schamottwerk. Er verhandelte Preise und gab in Auftrag, was Nakata Seiji ihm telephonisch übermittelt hatte, wobei selbst die Sonderanfertigungen noch eine Kompromißlösung darstellten: In Japan wurden für die Keramiköfen Blöcke aus ungebranntem Ton benutzt, die sich viel leichter anpassen und in Form bringen ließen, aber dergleichen war in Deutschland nirgendwo aufzutreiben.

Auch im Garten gab es einiges zu tun: Dort, wo der Ofen stehen sollte, mußten die verwilderten Gemüsebeete beseitigt werden, hier und da störten ausladende Sträucher oder ein abgestorbener Birnbaum. In der dritten Märzwoche schließlich rief Ludwig Brüker an, daß sein schwedischer Spezialist eingetroffen sei und den Riesenbärenklau vernichten werde, ehe es mit dem Frühling richtig losgehe, denn danach werde die Bekämpfung mit jedem Tag schwieriger, und es solle sich schließlich niemand daran verletzen.

Ernst hatte in der neuesten, fünfundzwanzigbändigen Ausgabe von Meyers Enzyklopädischem Lexikon, die sein Vater vor kurzem angeschafft hatte, vergeblich nach einem Artikel über den Riesenbärenklau gesucht. Auch in den älteren Pflanzenbestimmungsbüchern war nichts zu finden gewesen. Gleichwohl hatte ihn die Geschwindigkeit, mit der aus der Sumpfkuhle hinter dem Haus seit Mitte Februar neue Blätter und Triebe wuchsen, zunehmend beunruhigt. –

»Das Hogweed … Oder wie nennt ihr das hier in Deutschland?«

»Riesenbärenklau.«

»Weißt du, weshalb wir da etwas tun müssen? Hat Ludwig dich informiert?«

»Er hat gesagt, daß die Pflanze ein bißchen heikel ist.«

Ingvar Sundström ging auf die Siebzig zu, war vollkommen kahlköpfig und für sein Alter erstaunlich durchtrainiert. Sein Gesicht wurde von senkrechten, parallel laufenden Falten durchzogen, die unmittelbar unter den Rändern seiner riesigen Hornbrille ihren Anfang nahmen. In den vierziger Jahren hatte er Zoologie mit Schwerpunkt Botanik studiert und anschließend sein gesamtes Berufsleben als Experte in der schwedischen Forstverwaltung verbracht. Da es ihm in seiner aktiven Zeit nicht gelungen war, die seit anderthalb Jahrzehnten



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