Halbschlaf im Froschpyjama by Tom Robbins

Autor:Tom Robbins [Robbins, Tom]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644032514
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-07-30T16:00:00+00:00

21:04 —•••–• «Ich nehme das gebratene Gemüse. Aber ohne Spargel. Ich wiederhole: ohne Spargel.»

«Hab’s kapiert», sagt Brian, ein bisschen zu schnippisch für einen Untergebenen. «Und was darf es heute Abend für Mr. D. sein?»

«Ähm, Mr. D. wird … ich glaube, Mr. D. hätte gern …» Das ist jetzt fies, aber du kannst nicht anders. «Bringen Sie Mr. D. die Froschschenkel.»

21:05 —•••–• Das Bull & Bear hat etwas Erhebendes an sich, was nicht allein an seiner Ausstattung liegt – den dunklen, warmen Farben ringsum, dem polierten Glanz, seiner Gewichtigkeit und Alterswürde – und am Publikum – gepflegt, elegant gekleidet, gebildet, clever –, sondern auch daran, dass es Zuflucht vorm Chaos bietet: dem kontrollierten Chaos des Finanzmarkts und, in steigendem Maße, dem weit weniger kalkulierbaren Chaos auf den Straßen. In der Welt draußen wird Zivilisation oft und vielleicht sehr zutreffend als eine dünne Schicht empfunden, die das Gezeter und Gerangel einer im Wesentlichen barbarischen Spezies kaschiert. Im Bull & Bear hingegen scheinen der Suff und das Bramarbasieren wie eine dünne Schicht Atavismus über dem Grundgestein des Kultivierten und Wohlgeordneten zu liegen. Jener Teil Amerikas, der wohlhabend bleibt, weder in Flammen noch zum Verkauf steht, nicht von Kugeln durchsiebt ist oder vor sich hin rostet, dieser wohlhabende Teil erscheint dir oftmals undurchschaubar und wie in Trance. In dieser Zitadelle jedoch, so laut, verqualmt oder ungebührlich es hier auch zu gewissen Tageszeiten zugehen mag, hat jene Stabilität und Ruhe, wie sie Buddha der Banker von alters her verleiht, die Oberhand behalten. Seit damals, als du vor etwa sechs Jahren während deiner Mittagspause in der Nordstrom-Wintersportabteilung auf dieses Etablissement gestoßen bist, hat das Mysterium des Bull & Bear einen tiefen Einfluss auf dich ausgeübt.

Heute Abend spürst du, wie er schwindet.

Du empfindest eine seltsame, fast quälende Distanz zu dem Knäuel von Brokern auf der anderen Seite des Raums. Sie wirken ungewöhnlich zurückhaltend an diesem Abend, jeder konzentriert sich auf seinen narkotisierenden Kelch und den TV-Schirm hinter der Bar. Doch herrscht ein stillschweigendes Gemeinschaftsgefühl unter ihnen, das du vermutlich nicht teilen würdest, wenn du jetzt deinen kleinen flachen Bauch dort an den Bartresen drücken würdest. Sie ziehen sich garantiert den Börsen-Channel rein; du fragst dich, ob dir vielleicht was Wichtiges entgeht. Von deinem Tisch aus siehst du nur ein tanzendes Miasma aus Rot und Grün, wie ein atomisierter Adventskranz. Du musst unbedingt zum Augenarzt. Börsennotierungen sind, ähnlich wie die Bibel, häufig Ursache optischer Erosion. Endlose Spalten winzig kleiner Namen und Ziffern. So schwer zu lesen und so befrachtet mit geheimen Heilsversprechen – wenn die Augenmuskeln sie doch nur loseisen könnten!

Zum Teil mag das quälende Gefühl, das dir zu schaffen macht, der Tatsache zuzuschreiben sein, dass du eine randvolle Blase hast. Du hattest nicht zur gleichen Zeit wie Larry Diamond aufs Klo gehen wollen, damit er nicht etwa im synchronen Abschlagen eurer Wasser eine abseitige Intimität entdeckt und als solche zelebriert. Aber du hältst es nicht länger aus. So unauffällig wie möglich läufst du an der Bar vorbei, wirfst verstohlen einen Blick aufs Fernsehbild. Was sich deine Kollegen anschauen, stellt

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