Gustav by Kampmann Wolf

Gustav by Kampmann Wolf

Autor:Kampmann, Wolf [Kampmann, Wolf]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783955100414
Google: LwU-BAAAQBAJ
Herausgeber: Murmann Verlag DE
veröffentlicht: 2014-08-11T22:00:00+00:00


15.

Die Flucht

Mein Freund und Förderer Werner Hillebrand, dem ich beim Aufstieg auf meiner persönlichen Theaterleiter viel zu verdanken hatte, musste sich vor einem ostdeutschen Feme-Gericht dafür verantworten, dass er während Dreharbeiten für die DEFA Klartext geredet hatte. Ein jüdischer Kameramann hatte sich geweigert, weiterhin unter dem ehemaligen SS-Mann, der sich nie etwas hatte zuschulden kommen lassen, sondern nur ein Theater-Mann in Uniform war, zu arbeiten. Der Richter, selbst ein Jude, brachte es immerhin zuwege, dass Hillebrand nicht eingesperrt, sondern der Sowjetischen Besatzungszone verwiesen wurde. Innerhalb einer Woche musste er mit seinen gesamten Habseligkeiten das Land verlassen. Im Vergleich zu anderen Ex-Nazis, denen der Prozess gemacht wurde, hatte er ein Riesenschwein.

Ein stets tief in mir verwurzeltes Kameradschaftsempfinden, gepaart mit einem Schuss jugendlicher Kühnheit, ließ mich in den Prozess eingreifen. In angelernten kommunistischen Plattitüden versuchte ich darzulegen, was Werner Hillebrand für die neue Kultur geleistet hatte und noch zu leisten bereit war. Ich fühlte mich in der Rolle meines Lebens, redete mich in Rage, wurde immer aggressiver und schließlich wegen ungebührlichen Verhaltens mit den Worten »Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass in unserer Gesellschaft Ihr HJ-Jargon nicht mehr am Platze ist« aus dem Saal gejagt.

Das Tribunal verlassend, drehte ich mich noch einmal um und rief zurück: »Was hat es mit der Hitlerjugend zu tun, wenn man einfach nur empört ist?« Nur dem Ruf meines als aktiver Antifaschist bekannt gewordenen Vaters verdankte ich es, dass ich dafür keine schwerwiegenden Folgen in Kauf nehmen musste.

Hillebrand verschlug es nach Düsseldorf, wo er an einem kleinen Privattheater als Spielleiter engagiert wurde. Mir hingegen wurde in Dresden konsequente Ablehnung seitens meiner Vorgesetzten und Kollegen zuteil. Frei von jeglichen Aufgaben und in jeder nur erdenklichen Weise geschmäht, wurde mein Leben zur täglichen Tortur. Bis ein Telegramm aus Düsseldorf alldem ein Ende bereitete.

Werner Hillebrand ließ mich wissen, dass er mich aus Dankbarkeit für mein mutiges Auftreten vor Gericht nach Düsseldorf holen wolle. Ich musste mir nur einen »Wanderpersonalausweis für gastierende Künstler« besorgen.

Natürlich zögerte ich keinen Augenblick, und in der Dresdner Komödie weinte mir niemand eine Träne nach. Endlich ein Provokateur weniger, der in seiner jugendlichen Schnöseligkeit den kommunistischen Unfug unverhohlen bloßstellte. Die Sowjetische Militäradministration machte mir keinerlei Schwierigkeiten, auch die ostdeutschen Behörden waren erstaunlich entgegenkommend. Eine Dame in sowjetischer Uniform reichte mir die Hand und seufzte: »Schade, wir brauchen hier Kulturschaffende genauso wie die da drüben.«

So brach ich auf in Richtung Rheinland, voller Erwartungen und hatte doch keine Ahnung, was mich tatsächlich erwartete. Ich war achtzehn und dachte, nach dem Krieg und den Denunziationen in der Ostzone könne mich nichts mehr erschüttern. Was mir bevorstand, sollte jedoch den übelsten Schmöker an Absurdität übertreffen.

Da das Überschreiten der Grenze von der sowjetischen in die amerikanische Zone selten ohne Schwierigkeiten ablief, hatte mein Vater seine Beziehungen spielen lassen, um einen Grenzposten, mit dem Vater befreundet war, von meiner Reise in Kenntnis zu setzen. Er sollte mir bei eventuellen Komplikationen helfen. Ich hielt das zunächst für überflüssig, denn ich war ja im Besitz gültiger Reisedokumente.

Aber ich hatte auch gehört, dass die Amerikaner oft geneigt waren, die russischen Dokumente nicht zu akzeptieren.



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