Gustav Adolfs Page by Conrad Ferdinand Meyer
Autor:Conrad Ferdinand Meyer [Meyer, Conrad Ferdinand]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00
IV
In der Dämmerstunde desselben ereignisvollen Tages wurde dem Könige ein mit einem richtig befundenen Salvokondukt versehener friedländischer Hauptmann gemeldet. Es mochte sich um die Bestattung der in dem letzten ZusammenstoÃe Gefallenen[156] oder sonst um ein Abkommen handeln, wie sie zwischen sich gegenüberliegenden Heeren getroffen werden.
Page Leubelfing führte den Hauptmann in das eben leere Empfangszimmer, ihn hier zu verziehen bittend; er werde ihn ansagen. Der Wallensteiner aber, ein hagerer Mann mit einem gelben, verschlossenen Gesichte, hielt ihn zurück: er ruhe gern einen Augenblick nach seinem raschen Ritte. Nachlässig warf er sich auf einen Stuhl und verwickelte den Pagen, der vor ihm stehen geblieben war, in ein gleichgültiges Gespräch.
»Mir ist«, sagte er leichthin, »die Stimme wäre mir bekannt. Ich bitte um den Namen des Herrn.« Leubelfing, der gewià war, diese kalte und diktatorische Gebärde nie in seinem Leben mit Augen gesehen zu haben, erwiderte unbefangen: »Ich bin des Königs Page, Leubelfing von Nüremberg, Gnaden zu dienen.«
»Eine kunstfertige Stadt«, bemerkte der andere gleichgültig. »Tue mir der junge Herr den Gefallen, diesen Handschuh â es ist ein linker â zu probieren. Man hat mir in meiner Jugend bei den Jesuiten, wo ich erzogen wurde, die demütige und dienstfertige Gewohnheit eingeprägt, die sich jetzt für meine Hauptmannschaft nicht mehr recht schicken will, verlorene und am Wege liegende Gegenstände aufzuheben. Das ist mir nun so geblieben.« Er zog einen ledernen Reithandschuh aus der Tasche, wie sie damals allgemein getragen wurden. Nur war dieser von einer ausnahmsweisen Eleganz und von einer auffallenden Schlankheit, so daà ihn wohl neun Zehntel der wallensteinischen oder schwedischen Soldatenhände hineinfahrend mit dem ersten Ruck aus allen seinen Nähten gesprengt hätten. »Ich hob ihn drauÃen von der untersten Stufe der Freitreppe.«
Leubelfing, durch den kurzen Ton und die befehlende Rede des Hauptmanns etwas gestoÃen, aber ohne jedes MiÃtrauen, ergriff in gefälliger Höflichkeit den Handschuh und zog sich denselben über die schlanken Finger. Er saà wie angegossen. Der Hauptmann lächelte zweideutig. »Er ist der Eurige«, sagte er.
»Nein, Hauptmann«, erwiderte der Page befremdet, »ich trage kein so feines Leder.« »So gebt mir ihn zurück!« und der Hauptmann nahm den Handschuh wieder an sich.
Dann erhob er sich langsam von seinem Stuhl und verneigte sich, denn der König war eingetreten.
Dieser tat einige Schritte mit wachsendem Erstaunen, und[157] seine starkgewölbten, strahlenden Augen vergröÃerten sich. Dann richtete er an den Gast die zögernden Worte: »Ihr hier, Herr Herzog?« Er hatte den Friedländer nie von Angesicht gesehen, aber oft dessen überallhin verbreitete Bildnisse betrachtet, und der Kopf war so eigentümlich, daà man ihn mit keinem andern verwechseln konnte. Wallenstein bejahte mit einer zweiten Verneigung.
Der König erwiderte sie mit ernster Höflichkeit: »Ich grüÃe die Hoheit, und stehe zu Diensten. Was wollet Ihr von mir, Herzog?« Er winkte den Pagen mit einer Gebärde weg.
Leubelfing flüchtete sich in seine anliegende Kammer, welche, ärmlich ausgerüstet, ein schmaler Riemen, zwischen dem Empfangszimmer und dem Schlafgemach des Königs, dem ruhigsten des Hauses, lag. Er war erschreckt, nicht durch die Gegenwart des gefürchteten Feldherrn sondern durch das Unheimliche dieses späten Besuches. Ein dunkles Gefühl zwang ihn, denselben mit seinem Schicksale in Zusammenhang zu bringen.
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