Graben: Roman (German Edition) by Cynan Jones
Autor:Cynan Jones [Jones, Cynan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlagsbuchhandlung Liebeskind
veröffentlicht: 2015-01-18T23:00:00+00:00
III
DAS TUCH
I.
Das schwarze Lamm unter der Lampe wirkte müde und abgekämpft.
Es hatte nicht zugenommen, und Daniel konnte die Rippen mit dem aufgeblähten, milchvollen Bauch darunter erkennen. Das Tier lag zusammengerollt in der Bucht, aber nicht auf jene bequeme Art einer schlafenden Katze, sondern eher mit der schwachen Nachgiebigkeit von etwas, dessen Krankheit alle Willenskraft übersteigt.
Daniel hob das kleine schwarze Lamm heraus. Sein Vater hätte ihm einfach den Schädel auf dem Scheunenboden eingeschlagen. Er war kein harter Mann, nur ein Pragmatiker. Diese Stärke ging Daniel völlig ab. Trotz der Wärmelampe fühlte sich das Lamm kalt an, so als könnte es gar keine eigene Wärme erzeugen, und es war zu leicht und hing ihm schlaff in der Hand. Genauso gut hätte er einen Pullover vom Boden aufheben können. Das Tier war die reinste Willenlosigkeit und Passivität.
Ich erwarte das nicht von dir, hatte der Vater gesagt. Ich möchte nur, dass du es verstehst. Manchmal muss man sich entscheiden zwischen einem schnellen Leid und einem langsamen. Er hörte seinen Vater sprechen, sah, wie er das nutzlose Lamm aus der Box hob. Du musst das als Möglichkeit erkennen. Eine kurze Bewegung, und schon hing das Lamm tot von der Hand des Vaters, und ein dünner Blutfaden baumelte dem Tier vom Maul.
Wieder vernahm Daniel die Stimme. Er hörte seinen Vater sagen, dass es zweierlei Leid gebe, und irgendwo in sich drin meinte eine boshafte Stimme, dass seine Frau nun keine Angst mehr vor dem Schlimmsten habe, dem langen Leid, das ihr vielleicht noch gedroht hätte. Ihr Leid war von der schnellen Sorte gewesen, wie der Kopf, der auf den Scheunenboden aufschlägt. Daniel dachte an seinen niedergestreckten Vater, den der Schlaganfall ruhig gemacht hatte. Er kümmerte sich nicht weiter um die boshafte kleine Stimme, als hätte er etwas mit angehört, das er gar nicht wissen wollte.
Er rieb das Lamm, versuchte etwas Wärme in seine Muskeln zu kriegen. Die Falten der lockeren Haut bewegten sich unter seiner Hand wie aufgerollte Socken. Es gab den Aberglauben, dass jede Schafherde ein schwarzes Schaf bräuchte, das man opfern könnte, falls der Teufel käme, und Daniel erschien es, als wäre das Lamm ein Opfer dieses Aberglaubens.
Er nahm den Herzschlag des Lamms unter seinen Händen wahr. Er war schwach. Nur leicht zu spüren.
Du musst leben, dachte er.
Er nahm das Lamm und trug es zum Haus.
Dann setzte er es auf der Veranda ab, zog seine Stiefel aus, ging hinein, fand eine Schachtel und kam das Lamm holen.
Er öffnete die Klappe des Aga-Herds und nahm die Bleche heraus. Seit ihrem Tod hatte er ihn nicht mehr zum Kochen benutzt. Es war aber noch eine Restwärme vom automatischen Dauerbetrieb darin. Er griff die Bleche mit bloßen Händen und fühlte die Wärme im Herd. Dann setzte er das Lamm samt Schachtel hinein, ließ die Klappe offen stehen und ging wieder hinaus.
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