Gott trifft Hüttler in Vaduz by Eckhard Henscheid
Autor:Eckhard Henscheid
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783956140143
Herausgeber: Verlag Antje Kunstmann
veröffentlicht: 2015-08-17T16:00:00+00:00
Kafka, Perutz, Svevo, Mann
Ein synoptischer Vergleich
Am 1.10.1907 trat der Dichter Leo Perutz (1882–1957) eine Stelle als Versicherungsmathematiker bei der K.u.k.-Versicherungsgesellschaft Assicurazioni Generali in Triest an, worüber genauestens hundert Jahre später Hans-Harald Müller (Leo Perutz, 2007, S. 54ff.) getreulich berichtet; noch im nämlichen Jahr heuerte Franz Kafka bei der gleichen Versicherungsgesellschaft Assicurazioni Generali in Prag an, ehe er ab 30.7.1908 dann als schon bestallter Dr. jur. Franz Kafka zur Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt für das Königreich Böhmen wechselte; wo er bis zu seiner Pensionierung am 3.6.1924 als Jurist und Aushilfsbeamter, später sogar als Beamter, verblieb; im Rahmen eines »schrecklichen Doppellebens« (Tagebuch); aber immerhin.
Während L. Perutz dann später zur Anker-Versicherung ging, um diese aber am 5.7.1923 wieder zu verlassen, allerdings nach seiner Übersiedlung nach Palästina 1938ff. erneut unter recht erträglichen Bedingungen als Versicherungsmathematiker weiter Verwendung und Beschäftigung fand.
Dagegen avancierte der (nicht anders als Perutz) als besonders »kafkaesk« geltende Italo Svevo (1861–1928) alias Ettore Schmitz ab 1880 bei der Triester Filiale der Wiener Unionbank, ganz ähnlich wie sein kleiner Bankangestellter Alfonso Nitti (Una Vita, 1887ff.), der dort in der Buchhaltung Unterschlupf findet. Während T. Mann in München im Oktober 1894 sein Volontariat bei der Süddeutschen-Feuer-Versicherungsbank aufnimmt und zuerst auch ganz gut einschlägt. Was Wunder, daß in Eckhard Henscheids Roman »Dolce Madonna Bionda« (1983) dies den Autor, also praktisch Henscheid, nicht ruhen läßt, sondern er verfügt, daß das Herumtreiber-Faktotum Horst Tempes den Romanhelden Bernd Hammer bei der Bergamasker Filiale der Triestiner Assicurazioni Generali für den Distrikt Lombardei kranken- sowohl als haftpflichtversichert (S. 102f.); nicht ganz einwandfrei, sondern in Kombination mit einer Auskunftei, aber – Gott befohlen.
Wieder anders stellt es wiederum gegen Ende seines fülligen Romans »Der Zauberberg« (1925) Th. Mann an, insofern er gewisse »bei denen hier oben« eingetroffene und sehr vulgäre Polen einander zum schieren Spaß ohrfeigen heißt, aus vermutbar ungehemmter Freude am grundlosen und haltlosen Zuschlagen: die vielleicht haltbarste Idee in diesem wer weiß doch wohl allzu dicken und »insipiden« (T. Mann) Romanwerk – aufgreifend sehr verschwiegen ein Motiv aus Dostojewskis »Idiot«-Roman, in dem (Kap. 10) von einer Soiree berichtet wird, in die auch Polen eindringen, von denen einer »auf seine Fäuste große Hoffnungen zu setzen schien«.
Praktisch das Gleiche liest man aber auch in Heimito v. Doderers Kurzgeschichte »Trethofen« (1961). An deren Beschluß beobachtet der Erzähler nach einem gleichfalls recht befremdlichen Abend am anderen Morgen, wie die sich versammelnden Bewohner Trethofens auf dem Kirchplatz vor dem Hotel »Handlungen« taten, »die anderwärts als schwere Brachialitäten gegolten haben würden. Die Teilnehmer an der Unterhaltung verabreichten einander kräftige Ohrfeigen, jedoch ohne ihre Unterhaltung dabei im geringsten zu unterbrechen oder gar abzubrechen und auseinanderzugehen«. Sondern so geflissentlich wie unverdrossen hauen sie aufeinander ein, was der hinzutretende und zuschauende Wirt langsam und in einem nachdenklichen Ton mit einem gleichfalls etwas irritierenden »Ja, so geht’s, so geht’s dahin« erläutert.
Das aber wiederum verhalf eventuell L. Perutz bereits 1925 (s. Müller, S. 174ff.) zu jener damals berühmten Lebensepisode, die sich alsbald im Wiener Morgen-Blatt so wiederfindet:
»Gestern abend betrat der Schriftsteller Otto Soyka eilenden Fußes das Café Herrenhof, ging in den vorderen Saal schnurstracks auf den Dichter Leo Perutz zu und versetzte ihm von links und von rechts zwei schallende Ohrfeigen.
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