Gold und Stein 1: Serial Teil 1 (German Edition) by Heidi Rehn

Gold und Stein 1: Serial Teil 1 (German Edition) by Heidi Rehn

Autor:Heidi Rehn [Rehn, Heidi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426423530
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-07-25T22:00:00+00:00


3

Im Hinterhof des Silbernen Hirschen staute sich die Luft. Kurz vor Mittag erreichten zwar nur mehr wenige Sonnenstrahlen den festgestampften Boden, trotzdem hatten die Morgenstunden bereits ausgereicht, das ummauerte Geviert aufzuwärmen. Der Frühling nahte mit großen Schritten. An den Büschen sprangen die ersten Knospen auf, am Apfelbaum zeigten sich zaghafte Blütenansätze.

Gunda freute sich über das Ende der trüben Wintertage, zugleich aber beschlich sie Trauer. In wenig mehr als einer Woche stand Georgi vor der Tür. Kaum zu glauben, dass der gute Zacharias Fröbel dann bereits ein Jahr tot war. Sie vermisste den liebevollen, lebensklugen Gefährten noch genauso schmerzlich wie am ersten Tag. Wehmut erfasste sie. Ein weiterer treuer Weggefährte fiel ihr ein: Rudolf Kelletat. Weitaus kürzer als Fröbel, aber nicht minder aufrichtig und am Ende sogar aufopferungsvoll hatte auch er ihr einst in größter Not beigestanden. Für ihn hatte sie ebenso wie für Fröbel zunächst keine große Zuneigung empfunden. Viel zu spät erst war ihr bewusst geworden, was sie ihm und letztlich auch er ihr bedeutet hatte. Ausgerechnet dort, wo anfangs nicht einmal Zuneigung, sondern nur Vernunft gewesen war, war über die Jahre wahre Liebe gewachsen. Dagegen hatte sich da, wo zu Beginn die große, ungestüme Liebe geherrscht hatte, am Ende nur noch bittere Enttäuschung ausgebreitet. Viele Jahre waren seither vergangen. Jahre, in denen sie dank Fröbel gelernt hatte, mit dem unerträglichen Schmerz des Verlustes zu leben. Was geschehen war, war geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen. Es galt, nach vorn zu schauen. Nur so ließ sich die nötige Kraft sammeln, um das Künftige sinnvoll zu gestalten.

Auf dem Sterbebett hatte sie Fröbel versprochen, ein Jahr zu warten, bis sie entschied, was sie tun wollte. Jetzt nahte Georgi und damit der Tag der Entscheidung. Ob es als Zeichen zu verstehen war, dass der alte Fröbel ausgerechnet am Tag des tapferen heiligen Drachentöters sein Lebenslicht ausgehaucht hatte? Der heilige Georg schützte auch die Ritter des Deutschordens und galt als Patron der Böttcher, wie Kelletat einer gewesen war. Aus dem offenen Schweinekoben drang empörtes Quieken an ihr Ohr. Sie schreckte auf.

»Hätte ich euch doch fast vergessen!« Viel zu lang schon stand sie mitten im Hof und träumte vor sich hin. Dabei war helllichter Tag, keine Zeit für Müßiggang. Flugs bückte sie sich und hob den Korb mit Hopfenabfällen auf. Als sie auf ihren klappernden Holztrippen zum Pferch ging, streckten die Schweine vorwitzig die Schnauzen über das Gatter. Schwungvoll kippte Gunda die aussortierten Dolden hinein. Da sie nur weibliche Ähren zum Würzen verwendete, gab es immer wieder Ausschuss, mit denen sie die Schweine mästete. Gierig stürzten sich die beiden Tiere darauf und fraßen zufrieden. Voller Argwohn hatten die Hühner das beobachtet. Unter Führung des eitlen Hahns gackerten sie heran und scharrten sich um Gundas Beine. Mit einem sanften Tritt versuchte Gunda, das Federvieh auseinanderzuscheuchen. »Schaut, die Reste auf dem Boden! Seid nicht so faul und pickt sie auf.«

Geschäftig trat sie zum Brunnen auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs. Dankbar entdeckte sie den randvoll mit Wasser gefüllten Eimer auf der Mauer. Silbern glänzte die unberührte Oberfläche, im einfallenden Mittagslicht zum zittrigen Spiegel geworden.



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