Gemischter Satz by Daniela Emminger

Gemischter Satz by Daniela Emminger

Autor:Daniela Emminger [Emminger, Daniela]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Czernin Verlags GmbH, Wien
veröffentlicht: 2016-08-28T16:00:00+00:00


SEIT DEM CRASH vor ein paar Wochen hatten Agatha und Nummer sieben, bis auf wenige Sprachnachrichten und von Schweigen geprägte Telefonate, keinen Verkehr. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen oder vielleicht auch zu viel, aber Worte konnten die Geschehnisse nicht ungeschehen machen. Wie alle Frauen wünschte sich Agatha insgeheim einen klaren Schnitt, wenn nötig mit Rasierklingenworten, Axthiebblicken und Messerstichtaten. Schweigen genügte nicht. Einen Namen für das, was geschehen war, wollte sie, um es fassen und begreifen, um weiterleben und neu beginnen zu können. Wie sollte etwas Neues anfangen, wenn das Alte noch nicht zu Ende war. Sie hasste seine Vagheit, seine Unverbindlichkeit, die Ungewissheit und die Feigheit. In einer Welt, in der alles verging, wünschte Agatha sich nichts sehnlicher, als festgehalten zu werden. Ein Wunsch, so irrational wie die Liebe. Es lag an ihr, sich festzuhalten.

Agatha war eine Frau, die zwar schnell genug bis drei zählen konnte, aber nach dem Kommando dann einfach stehen blieb. Und so vermisste sie ihn immer noch. Offensichtlich war es aus, zum Aus-der-Haut-Fahren war es auf jeden Fall, ihre Koffer waren gepackt, die Wohnung leer geräumt, die Distanzen groß, das Schweigen unbarmherzig – und doch trieb sie dieses Ende, das ein unausgesprochenes blieb, zunehmend in den Wahnsinn, in einen Strudel hinein, der nicht mit Äpfeln und Rosinen und gerösteten Haselnüssen gefüllt war, dafür aber an den Meeresgrund führte. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, fuhr sie ein paar Tage nach Kroatien, urlaubte mit Kurt, dem Kapitän, der gerne Ringelpiez mit Anfassen spielte, führte Zwiegespräche mit einer Sing- und Schnapsdrossel, die auf dem Baum vor ihrem Zimmer weilte, ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen, streckte die Zehen ins Meer, das fast zu schade war für unsere Agatha, die, triefnass vor lauter Unglück, den Himmel nicht von der Hölle unterscheiden konnte. Und so rannte sie drauflos, selbst in Kroatien rannte sie, das Laufen hatte ihr bei der Genesung geholfen und würde ihr also auch in Zukunft helfen müssen im Kampf gegen das Leben. Mit Musik in den Ohren und einem Gedankenwulst im Kopf, die nach und nach eins wurden und sich in mediterraner Luft auflösten, joggte Agatha sonnige Strände entlang, sprintete karstige Hügel hinauf und hinunter. Doch dann kam irgendwann der Punkt, an dem nichts mehr einen Unterschied machte, an dem es egal war, zu verharren oder aufzuspringen, zu lachen oder zu weinen, zu hoffen oder zu verzweifeln. Und so rief sie ihn schließlich an, wählte, zwischen Proseccoschaum und Meeresrauschen, seine Nummer, sieben Mal, schrie und weinte, flehte und bettelte, fluchte und betete so lange, bis sie bekam, was sie brauchte: verbale Ohrfeigen, Faustschläge, Platzwunden, Knochenbrüche, Fußtritte. Fuck me like the whore I am. Zweieinhalb Jahre zu zweit ließen sich einfach nicht von einem Tag auf den anderen abschütteln, von Anruf zu Anruf wogen sie schwerer, wurden sie mehr, die blauen Flecken, zeigten sie Hochwasser, die leeren Augen, spitzten sie sich zu, die pochenden Adern, doch so verhielt es sich nun einmal mit der Wahrheit und dem Ende einer Liebe: Jemand



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