Gegen den Tag by Thomas Pynchon

Gegen den Tag by Thomas Pynchon

Autor:Thomas Pynchon [Pynchon, Thomas]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-11-30T23:00:00+00:00


DAS NÄCHSTE MAL traf er Pléiade in einem Café-Restaurant an der Place d’Armes. Erst viel später kam er auf den Gedanken, sie könnte dieses Zusammentreffen möglicherweise arrangiert haben. Sie trug ein Kleid aus blassviolettem Seidensatin und einen derart betörenden Hut, dass Kit sich nur ganz kurz über seine Erektion wunderte. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Dingen steckte noch in den Kinderschuhen, nur einige wenige mutige Pioniere wie der Freiherr von Krafft-Ebing hatten es gewagt, einen Blick auf das seltsame, in einem eigenartigen Dämmerlicht liegende Land des Hutfetischismus zu werfen – nicht dass Kit normalerweise auf so etwas achtete, aber hier handelte es sich um eine graue Toque aus gefälteltem Samt, mit alten Guipurespitzen besetzt und mit einer langen, im selben Violettton wie ihr Kleid gefärbten Straußenfeder versehen …

«Das? So was kriegt man für ein paar Sous bei jeder zweiten Putzmacherin.»

«Oh. Ich habe wohl etwas aufdringlich gestarrt. Was ist eigentlich neulich Nacht passiert?»

«Kommen Sie. Sie dürfen mich auf ein Lambic einladen.»

Das Lokal wirkte wie ein Mayonnaisemuseum. Zu diesem Zeitpunkt war der culte de la mayonnaise, der Belgien erfasst hatte, auf seinem Höhepunkt, und so begegnete man allenthalben großen Portionen dieser Emulsion aus Eiern und Öl. Haufen von Mayonnaise Grenache inmitten von Tellern voller geräucherter Putenbrust und Zunge schimmerten rot wie von innen beleuchtet, und mit weniger, wenn überhaupt irgendeinem Bezug zu tatsächlichen Speisen, die sie hätten begleiten können, dominierten Berge von Chantillymayonnaise, zu schwerkrafttrotzenden Gipfeln, so körperlos wie Wolken, geformt, neben aufragenden Massen grüner Mayonnaise, Schüsseln voller gekochter Mayonnaise, Soufflés aus gebackener Mayonnaise, ganz zu schweigen von diversen nicht sonderlich gelungenen Mayonnaisen, die der Ehrenrechte verlustig gegangen waren und gelegentlich als etwas ganz anderes ausgegeben wurden, jeden Winkel.

«Was wissen Sie über La Mayonnaise», fragte sie.

Er zuckte die Schultern. «Eigentlich bloß, dass da irgendwo ‹Aux armes, citoyens› vorkommt –»

Doch sie runzelte die Stirn, ernster, als er sie bisher je erlebt hatte. «La Mayonnaise», erklärte Pléiade, «hat ihren Ursprung in der moralischen Verkommenheit des Hofes von Louis XV. – dass Belgien eine Affinität dazu hat, ist wohl nicht allzu verwunderlich. Die Höfe von Louis und Leopold sind nicht so verschieden, es sei denn in der Zeit, und was ist schon Zeit? Zwei überaus verblendete Männer, die sich durch die Unterdrückung Unschuldiger an der Macht halten. Man könnte Cléo de Mérode durchaus mit der Marquise de Pompadour vergleichen. Nervenärzte würden bei beiden Königen das Bestreben feststellen, eine in sich stimmige Welt zu erschaffen, in der sie leben und fortfahren können, der Welt, in der wir anderen leben müssen, großen Schaden zuzufügen.

Die Sauce wurde vom Duc de Richelieu als neue Sensation für die verwöhnten Gaumen am Hof Louis XV. erfunden und hieß anfangs mahonnaise, nach Mahon, dem Haupthafen von Menorca, wo der Duc 1756 seinen zweifelhaften ‹Sieg› über den glücklosen Admiral Byng errungen hatte. Richelieu war im Grunde Louis’ Zuhälter und Drogenlieferant – er kannte Opiumrezepte für alle Gelegenheiten und hat auch die Spanische Fliege eingeführt.» Sie musterte betont Kits Schoß. «Und was könnte dieses Aphrodisiakum mit Mayonnaise gemeinsam haben? Dass diese Käfer gesammelt und



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