Flamingos im Schnee by Wendy Wunder

Flamingos im Schnee by Wendy Wunder

Autor:Wendy Wunder [Wunder, Wendy]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3442313236
Herausgeber: Wilhelm-Goldmann-Verlag
veröffentlicht: 2013-03-10T23:00:00+00:00


SECHZEHN

Cam kam erschöpft nach Hause und wollte sich nur noch in ihr Zimmer verkriechen und einen Film gucken. Doch sie schaffte es nicht an der Veranda vorbei.

»Wo bist du gewesen? Ich war schon kurz davor, die Polizei zu verständigen!« Alicia und Perry saßen in Gartenstühlen aus Teakholz und schlürften pinkfarbene Limonade, während Asher die Stäbe des Verandageländers glänzend schwarz lackierte.

Allmählich kam Cam dahinter, was mit Asher los war. Er war ein einsamer Wolf an der Spitze der Nahrungskette. Und wenn man an der Spitze der Nahrungskette steht, will man nicht, dass die Beute sich bereitwillig vor einen hinlegt wie diese Barbiepuppe auf der Bank, die Cam durch ihr Fernrohr gesehen hatte. Man lechzt nach etwas Komplizierterem. Man will das Jagdfieber spüren. Ist auf etwas Verstohlenes, Heimliches, Verstecktes aus. Das trotzdem sicher ist. Das einem das geliebte Junggesellendasein und die Einsamkeit der Höhle garantiert. Er muss etwas mit einer älteren Frau haben, dachte Cam. Doch nach dem heutigen Tag war sie zu müde, um sich darum zu scheren.

»Dir kann man es nicht recht machen. Erst zwingst du mich, aus dem Haus zu gehen, und jetzt kriege ich Ärger, weil ich nicht da war? Entschuldigt mich, ich muss Tweety reinbringen. Er hatte einen langen Tag.« Sie wollte an ihnen vorbeirauschen und spürte Ashers Blick auf sich, aber ihre Mutter hielt sie zurück.

»Campbell, du bist ja voller Hundehaare.«

»Ich habe einen Job bei der Tierärztin.«

»Das ist toll, ehrlich. Aber dusch dich bitte unter der Außendusche ab.«

»Jetzt gleich?«

»Cam!«, sagte ihre Mutter, und Perry nieste wie aufs Stichwort. Sogar Asher fing an, sich die Augen mit dem Hemdärmel zu wischen. »Ich bin auch allergisch gegen Hunde«, gestand er.

»Großer Gott.« Cam gab nach. Sie drückte ihrer Mutter Tweetys Käfig in die Hand und sagte: »Er ist übrigens krankhaft fettleibig. Du darfst ihm keine Papaya mehr geben.«

»Geh schon!«, rief ihre Mutter und warf ihr ein Strandtuch von der Veranda zu.

Das Wasser der Dusche prasselte hart und eiskalt auf sie ein. Nur diese abgehärteten, robusten Einwohner von New England würden auf die Idee kommen, eine Dusche im Freien zu installieren. War ihrer Familie nicht aufgefallen, dass sie null Körperfett mehr hatte? Fröstelnd seifte sie sich mit einem trockenen, rissigen Stück Seife ein, das vermutlich jahrzehntealt war. Sie versuchte gerade angestrengt, die Spinnweben in den Ecken zu übersehen, als sie plötzlich ein Kratzen hörte, das davon herrührte, dass ihr Handtuch über den Rand der Holzkabine gezogen wurde. Sofort war ihr klar, was als Nächstes passieren würde, doch ehe sie reagieren konnte, hatte Perry schon jedes ihrer Kleidungsstücke von dem Duschverschlag gerissen.

Cam lugte über die Bretterwand und sah, wie Perry dazu überging, die Sachen Stück für Stück das Steilufer hinunter auf den Strand zu werfen. Nackt bis auf ihre Chucks stand sie da. Die würde sie nicht ausziehen.

»Perry!«, schrie Cam. »Verdammt nochmal, ich frier mich tot.« Sie hüpfte herum, um sich warm zu halten, und drehte den roten Knauf auf, bis es dampfte. Wieder rief sie nach Perry.

»Brauchst du Hilfe?«, fragte Asher von draußen. »Hier, nimm mein Hemd.«

»Da haben wir’s wieder. Asher, der rettende Engel.



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