Finsterwalde by Annas Max

Finsterwalde by Annas Max

Autor:Annas, Max [Annas, Max]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, Dystopien
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2018-07-23T22:00:00+00:00


56

Der letzte Zug fuhr kurz nach Mitternacht von Cottbus nach Berlin. Den musste er kriegen, dachte Theo, als er in dem dünnen Waldstreifen verschwand, der an den Bahngleisen entlangführte. Die Sonne war nicht mehr zu sehen, aber ihre Reflexionen machten es noch beinah taghell. Er wollte zügig vorankommen. Orientierung behalten, solange ihm natürliches Licht noch den Weg wies. Eine Brücke unterquert haben, bevor es richtig dunkel war. Dann hatte er eine lange Strecke vor sich, in der die Gleise durch dichten Wald führten.

Online war das gut zu sehen gewesen. Dann gab es nur noch schmale und übersichtliche Straßen, die unter Gleisen oder über sie hinweg führten. Einen Bauernhof noch und ein Zementwerk auf der anderen Seite der Gleise. Das Zementwerk sollte abends geschlossen sein, aber bei einem Bauernhof konnte man nie wissen. Bauern schliefen nie, und ihre Hunde erst recht nicht.

Am wenigsten einschätzbar fand er die Gefahr, die von lokalen Vigilantengruppen ausging. Die meisten von ihnen waren nach der letzten Wahl offenbar in die regulären Streitkräfte integriert worden. Aber manche hatten sich auch verborgen gehalten. Wer von den alten Türken hatte noch davon erzählt?

Theo hatte die erste Querstraße schon erreicht, eine Brücke, die über die Gleise führte. Er stoppte kurz, sah aber niemanden in der Nähe. Irgendwo war ein Rasenmäher zu hören. Ein Zug tauchte in seinem Rücken auf und fuhr in Richtung Finsterwalde. Theo verbarg sich kurz.

Hinter der Überquerung wurden die Bäume auf seiner Seite dichter, standen auch schon mal in Dreierreihen nebeneinander. Theo war fast im Laufschritt nun.

In der Gegend des Zementwerks lag eine Ansammlung von Ruinen auf seiner Seite, und wenn er ein Forsthaus auf der gleichen Seite erreicht hatte, wollte er südlich gehen, um sich dem Zaun zu nähern. So viel wusste er.

Vor ihm lag schon die zweite Querstraße, eine Unterführung. Theo blieb stehen und horchte. Es war unnatürlich ruhig. Dann wagte er sich vor und blickte in beide Richtungen. Kein Auto zu sehen, niemand zu Fuß. Gerade als er weitergehen wollte, hörte er ein Bellen. Ganz in der Nähe. Er drückte sich an den Baum, der am nächsten war.

Das Bellen wurde lauter. Es war nicht tief, also war der Hund wohl nicht so groß. Zähne hatte er trotzdem. Das Bellen kam näher.

Gleichzeitig hörte er die Stimme eines Mannes. «Harlan, komm.» Das Bellen kam näher. «Komm jetzt, Harlan. Sofort.» Der Mann ließ eine deutliche Pause zwischen den beiden Silben des letzten Wortes. Der Hund hörte auf zu bellen.

«Komm jetzt» war das Letzte, was Theo von den beiden hörte. Sein Herz klopfte heftig.

Schnell weiter, aber nicht zu schnell. Rechts von ihm eine kleine Siedlung von vier oder fünf Häusern. Licht aus einigen Fenstern. Musik oder Fernsehen, so etwas. Ein Auto rollte gerade zwischen den zweistöckigen Bauten entlang. In den Fenstern war niemand zu sehen. Theo drückte sich von Baum zu Baum und ließ die Zivilisation hinter sich. Das war der letzte Außenposten des Städtchens gewesen. Von nun an gab es nur den Wald vor ihm.

Über ihm war es düster. Das Licht kam nun von der Schneise neben ihm.



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