Erinnerung an Einen Schmutzigen Engel: Roman by Henning Mankell & Verena Reichel

Erinnerung an Einen Schmutzigen Engel: Roman by Henning Mankell & Verena Reichel

Autor:Henning Mankell & Verena Reichel [Mankell, Henning & Reichel, Verena]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Roman
Amazon: B008MAUM1C
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2012-07-29T22:00:00+00:00


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Erst als sie den Brief durchlas, den sie an Elin geschrieben hatte, war es wie ein Schock für sie. Statt von ihrer Reise zu schreiben, hatte sie etwas erzählt, was einem Märchen glich. Mit Wirklichkeit hatte nur zu tun, dass sie Lundmark kennengelernt, ihn geheiratet und dann hatte zusehen müssen, wie er im Meer bestattet wurde. Was danach geschehen war, ihre Flucht und die Begegnung mit dem Bordellbesitzer Vaz, hatte sie ganz und gar ausgelassen. Sie hatte nur geschrieben, sie befinde sich in Afrika, es gehe ihr gut und sie sei auf dem Weg nach Hause. Als Erklärung dafür, warum sie die Reise nach Australien nicht fortgesetzt hatte und mit der Lovisa zurückgekehrt war, hatte sie in vagen Worten eine ernsthafte, aber kurzfristige Krankheit angedeutet, von der sie jetzt genesen sei.

Sie schob den Brief von sich. Erst jetzt wurden ihr die Konsequenzen dessen bewusst, was Kapitän Svartman gesagt hatte. Was Forsman erfahren haben musste, als das Schiff in Sundsvall am Kai angelegt hatte, nachdem es aus Australien zurückgekehrt war. Und wovon auch Elin in dem Haus im fernen Fjäll irgendwann erfahren haben musste.

Ihre Tochter war tot. Lange Zeit hatte Elin nun mit der Trauer darüber gelebt, dass Hanna in einem fremden Land gestorben war. Was geschehen war, wusste sie nicht, auch nicht, wo sie begraben war. Wenn es denn überhaupt ein Grab gab.

Bei diesem Gedanken begann Hanna zu weinen. Plötzlich entdeckte sie, dass Julietta durch die halbgeöffnete Tür spähte. Hanna ergriff Senhor Vaz’ alten Briefbeschwerer und warf ihn wütend nach ihr. Julietta duckte sich und schloss rasch die Tür.

Hanna wollte in Ruhe weinen. Aber es war, als hätte sie nicht einmal dafür Zeit. Sie zerriss den Brief und begann mit zitternder Hand einen neuen.

»Ich lebe«, schrieb sie. Das war das Wichtigste. »Ich lebe.« Der ganze Brief war wie ein einziges Verlangen, beim Wort genommen zu werden. Sie lebte, sie war nicht tot, wie Kapitän Svartman angenommen hatte. Sie war an Land gegangen, bevor das Schiff nach Australien weiterfuhr. Aber sie würde bald nach Hause zurückkehren. Und sie lebte. Das vor allem, sie war immer noch ein Mensch, der lebte.

Es war dieser Brief, den sie nun an Elin geschrieben hatte. Und sie wiederholte die gleichen Sätze, allerdings weniger gefühlvoll, in den beiden anderen Briefen. Der eine war an Forsman, der andere an Berta gerichtet. Sie lebte, sie würde bald heimkehren.

Schließlich lagen die drei Briefe vor ihr auf dem Tisch, in Umschläge gesteckt, die sie ordentlich zugeklebt hatte, die Namen äußerst sorgfältig geschrieben. Auch wenn sie erst mit Berta zusammen Lesen und Schreiben gelernt hatte, mühsam, aber doch als einen wichtigen Schritt aus der Armut heraus, fand sie, sie schreibe immer noch mit großer Schwierigkeit, unsicher im Buchstabieren und in den Wortfolgen. Aber das kümmerte sie nicht. Für Elin würde es die wichtigste Mitteilung sein, die sie je in ihrem Leben bekommen hatte. Eine ihrer Töchter war von den Toten zurückgekehrt.

Am Nachmittag bestellte sie Andrades Auto und ließ sich hinunter zum Hafen fahren. Sie hatte sich fein angezogen und eine lange Zeit vor dem großen Spiegel in der Diele zugebracht.



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