Engel der Finsternis by Gav Thorpe

Engel der Finsternis by Gav Thorpe

Autor:Gav Thorpe
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Black Library
veröffentlicht: 2023-03-14T08:24:57+00:00


ASTELANS GESCHICHTE

TEIL VIER

Stimmen riefen aus den dunklen Schatten der Zelle nach Astelan. Er warf sich fiebrig in seine Ketten, sein einst so kräftiger Körper jetzt erschöpft und ausgezehrt. Nicht ein Hautfetzen war von der grausamen Zuwendung des Absolutionspriesters verschont geblieben.

Astelans Verstand war nach Samiels psionischen Sondierungen gleichermaßen verwüstet. Sein Leib war geschunden und seine Gedanken lagen in Fetzen, sodass er sich nur noch mit letzter Kraft an die Realität klammerte.

Unfähig, den Kopf frei zu bewegen, beschränkte sich seine Welt auf einen wenige Meter umfassenden Sichtbereich. Er kannte jeden Riss und jeden Spalt über sich, sah sie so klar vor seinem geistigen Auge wie jede Karte. Er wusste, auf dem Regal befanden sich dreizehn Klingen, drei Bohrer, fünf Auguren, acht Klammern, neun Brandeisen und zwei Stachelhaken. Er erinnerte sich an das Gefühl jedes einzelnen Folterinstruments in seinem Fleisch und wusste um die feinen Unterschiede. Astelans Geist war so verwirrt, dass ihn die schmerzhafte Berührung der bösartigen Werkzeuge selbst dann hin und wieder aus dem Schlaf riss, wenn Boreas nicht bei ihm war.

Um seine Gedanken zu beschäftigen, hatte er mit tastenden Fingern Hunderte Male die Glieder der Ketten gezählt. Sobald er sich nicht auf irgendetwas konzentrierte, kehrten die Stimmen zurück.

Er hatte seine Weigerung, sich dem Schlaf zu ergeben, schon lange aufgegeben. Es spielte keine Rolle, ob er schrie, wenn die Albträume ihn plagten. Auch wenn er nicht schlief, war er kaum bei Verstand. Die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwammen bereits seit einiger Zeit.

All dessen war er sich vage bewusst, wenn sich ein ferner, vernünftiger Teil seines Verstandes behauptete und die Kontrolle übernahm. In diesen Momenten wusste er, dass die Stimmen lediglich der geistige Widerhall von Boreas’ Fragen und Samiels psionischen Sondierungen waren. Er wusste, dass es nur Illusionen seiner gequälten Sinne waren, wenn den Schatten Hände wuchsen, die nach ihm griffen. Aber dies geschah nur selten und seine klaren Momente wurden von Mal zu Mal kürzer.

Astelan vermochte nicht mehr zu sagen, wie oft seine Kerkermeister ihn bereits aufgesucht hatten. Vielleicht fünfzig Mal, vielleicht fünfhundert Mal. Manchmal stritt er, ein anderes Mal blendete er alles um sich herum aus, ignorierte die Schnitte der Skalpelle, die Bohrer in seinen Knochen, den sengenden Schmerz der Brandeisen auf seiner Haut. Boreas kam und ging, Samiel kam und ging, ohne jedes erkennbare Muster. Manchmal schreckte Astelan aus dem Schlaf und sah Boreas, der ihn beobachtete und den Schreien seiner Albträume lauschte. Ein anderes Mal traktierte ihn der Absolutionspriester mit Fragen und analysierte jeden Aspekt seiner Antworten, fügte ihm jedoch keine Schmerzen zu. Manchmal gab es nur Schmerz, aber keine Fragen. Manchmal gab es nur die heimtückisch flüsternde Stimme des Psionikers in seinem Kopf, der ihn einen Lügner und Eidbrecher nannte.

Manchmal lag er gequält und fiebernd da und fürchtete den Klang des großen Messingschlüssels im Schloss. Dann gab es Zeiten, in denen er sich danach sehnte, dass Boreas zurückkehrte und sein erschöpfter Verstand die tosenden Gedanken hinausschreien konnte. Manchmal fiel es ihm schwer, sich daran zu erinnern, warum er hier war, doch dann brach die Erinnerung über ihn herein und spülte den Schmerz fort.



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