Elisabeth - Band 2 by Marie von Nathusius

Elisabeth - Band 2 by Marie von Nathusius

Autor:Marie von Nathusius [Nathusius, Marie von]
Format: epub
Tags: Hist. Roman
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2009-12-22T22:00:00+00:00


33. Die bittere Freiheit

Der Himmel war wieder blau, die warme Augustsonne hatte bald Sturm und Unwetter vergessen lassen, Elisabeth bewohnte ihr Leinwandhäuschen und hatte sich von neuem gewissenhaft vorgenommen, nur immer für den einen kurzgemessenen Tag zu denken, – das ward ihrem schwachen Herzen und schwankenden Stimmungen am leichtesten. Sie beschäftigte sich wieder regelmäßig mit ihren Arbeiten, mit ihrem kleinen Haushalt, mit ihren lieben süßen Kindern, und lebte in Ruhe nach der Vorschrift des Arztes. Mit Anna und mit Frau Brandes und ihrer Tochter fand sie sich oft am Strande zusammen, und scheute auch ihre Gesellschaft nicht. Dem jungen Mädchen konnte sie es zwar nicht ganz vergessen, daß sie den Abend die Ursache ihres Kummers war und am Arme ihres Mannes ihre Stelle eingenommen.

Während die Damen dieses kleinen Kreises sehr gut beschäftigt und unterhalten waren, wurden die Herren, je mehr sich das Ende ihres Aufenthaltes nahte, unruhig; sie sehnten sich zurück nach ihrem Beruf und ihren Geschäften, und verabredeten zu ihrer Unterhaltung mit einander eine Seefahrt nach Spiekeroge, der nächsten kleinen bewohnten Insel. Herr von Kadden wurde dazu aufgefordert und nahm es an. Frau von Hohendorf erbot sich, Elisabeth und die Kinder während der Zeit ganz besonders in Pflege und Obhut zu nehmen, und Elisabeth war es zufrieden. Ja der Gedanke, zwei Tage allein zu sein, schien ihr ganz angenehm. Sie befand sich ihrem Manne gegenüber noch immer in einer gewissen Spannung, sich stets beobachtet zu wissen und stets so aufmerksam auf sich selbst sein zu müssen, wurde ihr schwer; sie wollte es in diesen beiden Tagen einmal versuchen, sich so frei und harmlos zu fühlen, wie als Mädchen. Ihre Augen waren zu klar und offen, ihr ganzes Wesen zu unmittelbar, als daß ihr Mann die Wahrheit nicht durchschaut hätte. Obgleich er es ganz natürlich finden mußte, that es ihm doch leid, und er verließ sie ernsthafter, als es ihr lieb war. Doch tröstete sie sich, daß er vielleicht nur zerstreut war! sie wollte sich hüten ihm Unrecht zu thun und ihren bösen Gedanken zu folgen.

Der Morgen war ihr in der gewöhnlichen Badeordnung und mit den Damen am Strande schnell vergangen, auch die ersten Stunden des Nachmittags; aber sich so frei und harmlos fühlen wie als Mädchen, das sah sie ein, das ging nicht mehr. Als sie im stillen Sonnenschein in dem kleinen Garten auf und ab wandelte, als sie die Hornmusik aus der Ferne hörte, da war es ihr einsam zu Sinne und so unruhig im Herzen. Sie ging nach der andern Seite des Hauses, wo sie das Meer und die ferne Insel sehen konnte. Sie schaute sehnend über die weiten Wasserwogen hin, und dachte sehnend, daß er wieder zurückkehrte. Sie war eine rechte Thörin, daß sie ihn fort wünschte, daß sie glaubte, die Freiheit sei süß; nein die Freiheit war sehr bitter, die Erfahrung sollte sie jetzt machen.

Die kleine Anna kam zur rechten Zeit, sie und die Kinder zur Mama zu rufen. Der Besuch war heute Morgen schon verabredet, Elisabeth hatte sich nur nicht recht entschließen können ihre Einsamkeit zu verlassen.



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