Elena weiß Bescheid by Claudia Piñeiro

Elena weiß Bescheid by Claudia Piñeiro

Autor:Claudia Piñeiro [Piñeiro, Claudia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Argentinien, Frau, Lateinamerika, Parkinson-Krankheit, Spannung
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-11-17T16:00:00+00:00


5

Also gut, Elena beschließt, die Einnahme ihres Medikaments ein wenig vorzuziehen. Sie weiß, dass das geht, »sie«, die scheißverdammte Scheißkrankheit, mag es zwar nicht, aber Elena kann die Zeit mithilfe ihrer Tabletten manipulieren, nur ein klein wenig, aber immerhin. Sie öffnet die Handtasche, wühlt darin herum und holt ein Stück von dem Käsesandwich hervor, das sie am Morgen dort hineingetan hat. Zusammen mit dem gekauten Brot rutscht die Tablette besser hinunter, vor allem deshalb hat sie dieses Stück Brot mit Käse ja eingepackt, zu ihrer Brieftasche und den Hausschlüsseln. Sie kaut, schluckt, ein paar Krümel fallen auf den Boden, und Elena versucht, die Papiermatte darüberzuschieben, sodass der Taxifahrer sie nicht sieht.

Als sie genug gekaut hat, öffnet sie noch einmal die Handtasche, sucht darin und holt das Pillendöschen und einen Saftkarton heraus, öffnet diesen, so gut es geht, und steckt einen Plastiktrinkhalm hinein, dann nimmt sie eine Tablette und steckt sie in den Mund, sie hält sie fest zwischen Daumen und Zeigefinger und lässt sie erst ganz weit hinten los. Jetzt liegt sie auf der Zunge. Elena saugt an dem Halm. Die Tablette rutscht aber nicht bis in den Rachen, sie bleibt am Zäpfchen hängen. Sie schluckt noch einmal.

Der Taxifahrer sagt etwas zu ihr, aber sie beachtet ihn nicht, sie atmet tief durch die Nase, damit ihr nicht die Luft wegbleibt. Von einem lauten Hupen zuckt sie zusammen, noch ein Hupen.

»Das gibts doch nicht, wer sitzt eigentlich im Auto, er oder wir?«

Könnte Elena etwas sehen, wüsste sie, dass der Taxifahrer einen Mann meint, der noch nicht auf der anderen Straßenseite angekommen war, als die Ampel umschaltete. »Aber wenn ich ihn anfahre, darf ich zahlen, weil er natürlich unschuldig ist.«

Sie saugt wieder am Halm, drückt auf den Karton, damit der Saft nach oben steigt, und auch wenn die Tablette nicht hinunterrutscht, löst sie sich durch die viele Flüssigkeit doch allmählich auf. Sie brauchte bloß den Kopf ein wenig in den Nacken zu legen, dann ginge es, aber ihr bleibt das verwehrt. Jeder andere bekäme mit dieser leichten Bewegung sein Aspirin hinunter, doch ihr Körper ist dazu nicht imstande, also neigt sie sich zur Seite, vielleicht schafft die Tablette es dann, die Biegung zu passieren, an der sie festsitzt, und diesmal gelingt es, jawohl, die Tablette kratzt im Hals und verschwindet. Allerdings sinkt Elena jetzt auf ihren Arm, der immer noch den Saftkarton hält, sie versucht, ihn aufzurichten, damit nichts verschüttet wird, und liegt zuletzt ganz auf der Seite. Sie wartet.

Eine Hand beginnt, die Windschutzscheibe zu putzen, Elena sieht es durch den Zwischenraum zwischen den beiden Vordersitzen. Aber der Taxifahrer drückt erneut auf die Hupe und lässt seine Hand diesmal darauf liegen, bis die andere Hand das Reinigungsmittel, das sie auf das Fenster gespritzt hatte, wieder wegwischt und verschwindet. Elena kann nicht sehen, wem die Hand gehört, wahrscheinlich einem jungen Menschen, denn sie ist klein und glatt, aber das sind alles nur Vermutungen. Von dort, wo sie liegt, kann sie nur mitverfolgen, was sich auf der schmutzigen Scheibe des Taxis abspielt, in dem sie unterwegs ist.



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